Im Theater wird etwas aus der Wirklichkeit herausgerissen, das man dort nicht sein lassen konnte. Ich schreibe ja Stücke, weil ich es nicht sein lassen kann und auch das nicht, worüber ich schreibe. Was verborgen bleiben will, wird herausgefetzt, manchmal blutet es noch. Ich schöpfe das, was ich sehe, in mein sehr kleines Maß und werfe es dann in die Zeit, in der Menschen im Theater sitzen. Zwei Zeiten werden aufeinander geschmissen, die, die auf der Bühne abgeht (und niemandem abgeht, es wäre auch in Ordnung, wenn das alles nicht stattfände), und die im Zuschauerraum.
aus: Elfriede Jelinek: Meine gute Textwurst . http://www.nestroypreis.at/rte/upload/2013/text_jelinek_nestroy.pdf (15.7.2014) (= Website des NESTROY).
Dankesrede zur Verleihung des
NESTROY 2013
in der Kategorie „Bestes Stück – Autorenpreis“ für den Theatertext
Schatten (Eurydike sagt)
(2012). Bei der Preisverleihung am 4.11.2013 in der
Wiener Stadthalle
wurde die Rede, mit einer Audio-Aufnahme von Jelineks Stimme, von
Nikolaus Habjan
mittels der Jelinek-Puppe, die auch in
Matthias Hartmanns
Inszenierung des Stücks am
Wiener Akademietheater
zum Einsatz kam, vorgetragen. Über ihre
Theaterästhetik
. Jelinek bezieht sich in der Rede u.a. auf den Billeteur
Christian Diaz
, der bei einem vom Burgtheater veranstalteten Jubiläumskongress gegen seinen Arbeitgeber, die Sicherheitsfirma G4S, protestieren wollte (
Ausbeutung
,
Kapitalismus
) und dem dabei das Wort abgeschnitten wurde. Nach Jelineks Preisrede kam auch Diaz zu Wort. Für die Tagung
„Faites ce que vous voulez!“ Faire, défaire, contrefaire l’autorité“
verfasste Jelinek einen Zusatzabsatz, der, von ihr eingelesen, bei der Eröffnung der Tagung am 28.3.2014, nach dem Video der NESTROY-Preisrede mit französischen Untertiteln vorgespielt wurde. Darin dankt Jelinek für das Symposium und wünscht „guten Appetit“. Dieses Video ist auf
Website von Canal C2
(19.11.2021) veröffentlicht.