Das Licht im Kasten (Straße? Stadt? Nicht mit mir!)

manuskripte 216 (2017), Cover

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  • Je­li­nek, El­frie­de

    :

    Das Licht im Kasten (Straße? Stadt? Nicht mit mir!).

    Teilabdruck

    In: Programmheft des Düsseldorfer Schauspielhauses zu Elfriede Jelineks

    2017

    .

 

Jelinek verfasste Das Licht im Kasten (Straße? Stadt? Nicht mit mir!) ausgehend von einigen Passagen ihres Theatertextes

Die Stra­ße. Die Stadt. Der Über­fall.

Der Text ist durch Absätze und Leerzeilen gegliedert und nicht auf SprecherInnen aufgeteilt.

Anders als in

Die Stra­ße. Die Stadt. Der Über­fall.

sind die Reflexionen zum Thema

Mo­de

hier allgemeiner und nicht auf einen konkreten Ort (die Maximilianstraße in München) bezogen. Allerdings finden sich an einigen Stellen Anspielungen auf die „Modestadt“ Düsseldorf, in der das Stück uraufgeführt wurde.

Das Thema Mode wird mit religiösen Kontexten, dem Spannungsfeld von

Na­tur

und Künstlichkeit, Orgie (

Se­xua­li­tät

) sowie mit sozialen und ökologischen Aspekten der internationalen Textilindustrie (

Ka­pi­ta­lis­mus

) in Beziehung gesetzt.

Über ihre Quellen hat Jelinek dem Text Folgendes nachgestellt:
„Material, diesmal in homöopathischen Dosen, aber trotzdem muss es gesagt sein:

Ro­land Bar­thes

: Die Sprache der Mode

Eu­ri­pi­des

: Bakchen (Übers. Kurt Steinmann)

Na ja, und Heidegger muß natürlich auch sein, wie immer, diesmal darfs ein bisserl mehr sein, ihm tut es nicht weh, aber vielleicht der Zeit in ihrer Ursprünglichkeit. Die weiß jetzt vielleicht nicht mehr, wo sie ursprünglich entsprungen ist, und kann daher nicht mehr zurück.
Dank an alle Blogger und Poster, das sage ich hier ausdrücklich, sonst wirft mir jemand vor, abgeschrieben zu haben, was ich natürlich, wie üblich, getan habe.
Und danke, Penelope!“

 

 

Im Innersten meines Wesens offenbart sie mir eine Endlichkeit, die ich als Makel wahrnehme, doch endlich habe ich genug gespart, es hat Monate gedauert!, um mir diesen Japano-Pulli zu kaufen. Die Endlichkeit ist das Innerste des Wesens der Mode. Das ist ein wichtiger Satz. Vergessen Sie ihn sofort wieder, denn es ist der erste Gedanke, den ich heute hatte, der wird weggeschüttet, man nimmt besser den Mittelstrahlgedanken, da müssen Sie aber noch etwas warten, bis der kommt! Das wird dann ein reiner Gedanke sein, doch so einen hatte ich noch nie, egal. Ich hoffe, der irrsinnig teure Pulli wird noch lang halten, auch wenn ich ihn irgendwann gewiß nicht mehr tragen möchte. Der dort, der keine absichtlichen Löcher hat, fällt noch eher auseinander als meiner, wetten?, das sollte für jeden gelten, was praktisch wäre, jede Kleidung betreffend, denn dann würde man wirklich, aber wirklich was Neues brauchen, man hätte einen Grund vor sich selbst, zu verantworten, daß man sich verausgabt, und das Problem der Notwendigkeit nach der Frage der Endlichkeit im Menschen würde sich gar nicht erst stel-len, wir müßten uns selber stellen, damit unser eigener Anblick uns tötet, ob absichtlich oder nicht, ob willkürlich oder nicht, beim Blick in den Spiegel vor allem.

aus: Elfriede Jelinek: Das Licht im Kasten (Straße? Stadt? Nicht mit mir!). In: Theater heute 3/2017. (Beilage)

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