Ikarus
Programmheft zur Uraufführung am Festspielhaus St. Pölten, 2006
Programmheft zur Uraufführung am Festspielhaus St. Pölten, 2006
Jelinek, Elfriede
:
Ikarus. Ein höheres Wesen. In: manuskripte 159 (
2003
), S. 5-7
DN
.
Jelinek, Elfriede
:
Ikarus. http://www.elfriedejelinek.com/fikarus.html (15.7.2014)
28.12.2002
(= Elfriede Jelineks Website, Rubriken: Archiv 2002, Vermischtes).
DN
.
UA | 22.6.2006
13.6.2015
Stadttheater Bremerhaven
, I:
Tim Egloff
(im Rahmen von 7 Todsünden in Bremerhaven)
E. Jelineks Text „Ikarus. Ein höheres Wesen“ vergegenwärtigt uns die Zwiespältigkeit
und auch die Widersprüchlichkeit, in die der Mensch als ein Wesen gestellt ist,
das zwar die Möglichkeit besitzt, an der metaphysischen Welt teil zu haben, aber
die Fesseln der physischen Gebundenheit nicht abstreifen kann. An diesem Moment kommt die Technik ins Spiel, die – um mit Peter Sloterdijk zu
sprechen – da beginnt, wo der Mensch begonnen hat, das Wünschen zu lernen. Ich denke, am Thema Fliegen kann man diesen Problemkreis, in dem sich der
Mensch schon seit Urzeiten bewegt, am deutlichsten festmachen. Bei Ikarus geht es auch um Ungehorsam, d.h. den Anspruch auf Selbsterfahrung
– und die kann man bekanntlicherweise nur dann machen, wenn man an Grenzen stößt. Es geht ebenso um das Verlassen der Geburtsstätte (Geia – Erde – Labyrinth) – um
das Entrinnen aus dem Labyrinth, welches im Mythos für die Unergründlichkeit
des weiblichen Prinzips steht. Daedalus, der Vater, der geniale Erfinder und Erbauer des Labyrinths, kennt dessen
Prinzipien… und kommt heil an. Er setzt seine Reise mit dem Schiff fort. 1. Selbsterfahrung – Selbsterfindung 2. Vater: Baumeister, Ingenieur, Lehrer Sohn: unerfahren, ungehorsam, leidenschaftlich 3. Verweigerung von Verantwortung 4. Zweifel am Gelingen gegenüber überheblicher Selbstüberzeugung 5. Selbstherstellung 6. Wut auf die Elemente, daß sie nicht so wollen wie er „Überall die blöden Federn“ 7. Opfer – Täter
Jelinek schrieb den Text Ikarus. Ein höheres Wesen für die Choreographin
Violanta de Raulino
. Das Ballett wurde 2006 in der von
Bernd Roger Bienert
kuratierten Reihe Österreich tanzt des Festspielhauses St. Pölten uraufgeführt. Anregungen für Jelineks Text waren Familiengeschichten
de Raulinos
über ihren Stiefgroßvater, den im
Nationalsozialismus
tätigen Flugzeugkonstrukteur
Willy Messerschmitt
. Der Text, ohne Aufteilung auf SprecherInnen verfasst, ist eine weitere Auseinandersetzung der Autorin mit der Dialektik von
Natur
und
Technik
wie auch mit der Selbstgewissheit und Hybris junger Männer (
Mann
), die sich im
Krieg
in die Lüfte erheben und abstürzen.
Das Hörspiel
Ikarus, ein höheres Wesen
von
Josef Klammer
entstand auf der Grundlage von Jelineks Text zu einer Zeit, in der die Realisierung als Tanztheater noch ungeklärt war. Für das Tanztheater bearbeitete und erweiterte
Josef Klammer
seine Hörspiel-Komposition / -Bruitage mit Jelineks Stimme. Die Uraufführung im Festspielhaus St. Pölten war die Kurzversion einer ursprünglich geplanten größeren Produktion.