Josefina, bedien die Herren (Josefina, atiende a los señores, 1960)
Cover des Sammelbands, 1973
Cover des Sammelbands, 1973
Josefina, bedien die Herren. In:
Schultze-Kraft, Peter
:
Wie ich zuhaus einmarschiert bin.
Frankfurt am Main
:
Fischer Taschenbuch Verlag
1973
, S. 51-57
.
Josefina, bedien die Herren. In:
Schultze-Kraft, Inke
/
Schultze-Kraft, Peter
:
Josefina, bedien die Herren. Geschichten von Frauen und Männern aus Lateinamerika.
Frankfurt am Main
:
Fischer Taschenbuch Verlag
1982
, S. 37-42
.
Also, sehen Sie, wenn man so ein Haus hat, darf man sich nicht gehen lassen. Sie kennen ja das Sprichwort vom Chamäleon, das nicht beißt.
Nehmen wir doch mal die Josefina. Sie ist das beste Stück im Haus. Sauber, adrett, sie macht keine Zicken und wohnt auch hier,
so daß man sie immer zur Hand hat, sie beklagt sich auch nicht, daß ihr zu wenig bleibt, daß soundsoviel Prozent fürs Haus zuviel sind undsoweiter.
Also in der Hinsicht ist sie in Ordnung. Gut, das Problem ist nur, sie aus dem Bett zu kriegen. Ich muß ihr dauernd sagen: Josefina, mach dies,
Josefina, mach das, Josefina, Mädchen, beweg dich! Sei ein bißchen lebhafter! Aber da kann man nichts machen. Ich muß den lieben langen Tag hinter
ihr her sein. Bei mir herrscht Ordnung, da kenn ich nichts. Wie hätte ich dieses hübsche Häuschen sonst aufziehen können? Glauben Sie ja nicht,
daß es reicht, einfach die Beine breit zu machen. Vonwegen! Da hieß es: die Augen offen halten und hart arbeiten. Nicht nur in der Horizontale.
Denn mein Seliger – er ruhe in Frieden – hat mir nichts als Schulden hinterlassen. Sie können sich vielleicht vorstellen, was das für eine
alleinstehende Frau hieß: den Laden wieder in Schwung bringen. Ich hab mir keine Minute Ruhe gegönnt, aber daran hat sich ja nichts geändert.
Um vier oder fünf, wenn der letzte Kunde gegangen war, hab ich mich hingesetzt und noch die Einnahmen gezählt und unter den Mädchen aufgeteilt.
Bei mir kriegt jede, was ihr zusteht. Da laß ich nichts auf mich kommen. Nachdem das Geld aufgeteilt war, hab ich den Jungen geweckt, damit er
saubermacht. Aber ich will Sie nicht langweilen, dann hab ich mich hingelegt, höchstens zwei oder drei Stunden, und um acht war ich schon wieder
auf den Beinen, um die Mädchen von der Frühschicht zu wecken, damit sie sich zurechtmachen und die Morgenkunden sauber und ordentlich empfangen können.
Guillermo Cabrera Infante
wurde 1929 in Gibara, Kuba geboren. 1965 emigrierte er nach Großbritannien. Er arbeitete als Übersetzer (u.a. von
James Joyces
Dubliners ) und Schriftsteller (Romane, Kurzgeschichten, Essays). Die Erzählung Josefina, atiende a los señores wurde 1952 geschrieben und 1960 im Band Así en la paz como en la guerra publiziert.
Jelineks Übersetzung von
Guillermo Cabrera Infantes
Prosatext Josefina, atiende a los señores erschien 1973 in dem von
Peter Schultze-Kraft
herausgegebenen Band Wie ich zuhaus einmarschiert bin . Der Band ist eine Anthologie kubanischer Erzählungen, die zwischen 1959 und 1969 geschrieben bzw. nachgedruckt wurden. Jelinek übersetzte den Text gemeinsam mit
Gert Loschütz
. Josefina, bedien die Herren , erzählt aus der Perspektive einer Bordellbesitzerin, handelt von einer Prostituierten (
Prostitution
), die bei einem Unfall ihren Arm verliert und eine Fehlgeburt hat. Zentrales Motiv sind die Lebensbedingungen und Schicksale von Frauen (
Frau
) im postrevolutionären Kuba.