Elfriede Jelinek schrieb uns zu ihrer Übersetzung

Abdrucke

  • Je­li­nek, El­frie­de

    :

    Elfriede Jelinek schrieb uns zu ihrer Übersetzung. In: Verlagsnachrichten von Nyssen & Bansemer Theaterverlag Köln November/

    1986

    .

auch in:

  • Je­li­nek, El­frie­de

    :

    Elfriede Jelinek schrieb uns zu ihrer Übersetzung. In: Programmheft des Stadttheaters Würzburg zu Georges Feydeaus in der Übersetzung von Elfriede Jelinek

    1987

    .

  • Je­li­nek, El­frie­de

    :

    Verzweifelte Komik. In: Programmheft des Schauspiel Bonn zu Georges Feydeaus

    1987

    (Titel: Verzweifelte Komik )

    .

  • Je­li­nek, El­frie­de

    :

    Elfriede Jelinek übersetzt Georges Feydeau. In: Programmheft des Badischen Staatstheaters Karlsruhe zu Georges Feydeaus

    1991

    (Titel: Elfriede Jelinek übersetzt Georges Feydeau )

    .

  • Je­li­nek, El­frie­de

    :

    Ich übersetze Feydeau. In: Programmheft des Nationaltheaters Mannheim zu Georges Feydeaus

    1998

    (Titel: Ich übersetze Feydeau )

    .

 

Über ihre Übersetzung von

Fe­yde­aus

Der Go­ckel

(1986); weiters über die spezifische Komik in

Fe­yde­aus

Theaterstücken. Jelinek begründet ihre Motivation zur Übersetzung

Fe­yde­aus

mit den in seinen Komödien verhandelten Themen

Ehe

und Ehebruch. Wie kein anderer habe er die „hervorbrechende Gewalt des Opferungsaktes Ehe“ dargestellt (

Frau

,

Ge­walt

,

Mann

,

Pa­tri­ar­chat

).

 

Ich übersetze Feydeau, weil sein Thema das EINE ist, also ALLES. Die Männer seiner Komödien, Bürger des 19. Jahrhunderts, in – buchstäblich – wohlgeordneten Verhältnissen und das auch noch in Paris, also wie der Herrgott lebend, haben sich, wie es sich gehört, in einem gesellschaftlich nicht anerkannten Arbeitsvertrag namens Ehe, Frauen zur Seite gelegt, und haben daher nichts Eiligeres und Dringenderes zu tun, als diese Frauen möglichst geschickt wieder zu betrügen, kaum daß sie sie errungen haben. Es gibt natürlich auch Dienstboten, die es aber auch dauernd miteinander treiben. Die verschleierte, aber dauernd unwillkürlich hervorbrechende Gewalt des Opferungsaktes Ehe hat kein anderer Komödienschreiber besser dargestellt als Feydeau. Die verzweifelte Komik seiner Komödien besteht ja darin, daß der Mann die Frau besitzt und auf sein Eigentum für den Rest seines Lebens aufpassen muß und daß er für sein eigenes – außereheliches – Amüsement intellektuelle Leistungen aufbringen muß, als gelte es, einen Doktorgrad zu erwerben. Denn das mindeste, das die Ehefrau erwarten kann, ist, daß man sie sorgfältig und umsichtig hintergeht. Der sexuelle Betrug an der Frau ist nur eine Kleinigkeit, gemessen an den Anstrengungen, die man auf sich nehmen muß, um ihn endlich begehen zu können. Und meist kommt es nicht so weit, weil Anzüge vertauscht werden, Leute aus dem Fenster fliegen, irgendwelche Mittel im unrechten Moment geschluckt werden, Doppelgänger in Gestalt von Dienstboten auftauchen oder Detektive; aber wenn Frauen der besseren Gesellschaft gierig werden, dann kriegen sie natürlich überhaupt nichts, denn sie haben schon: ihren Ehemann, der am Schluß reuig zu ihnen zurückkehrt, aber schon mit einem Fuß wieder draußen steht, um einem diskreten Kutscher ein Signal zu geben. Der kollektive Verachtungsprozeß, dem Frauen anheimfallen, wenn sie sich von den Komplizen der Männer, den Müttern und Freundinnen, in die Ehe treiben lassen, scheint in den listigen Damen Feydeaus aufgehoben, aber nicht aufgeschoben zu sein, denn seine happy ends, in denen sich die jeweiligen Gatten nicht aus neuerwachter Liebe, sondern erschöpft von den Strapazen des Herumjagens, manchmal auch kurzfristig aufgewertet durch ein Interesse, das andere – Hausfreunde wie eifersüchtige Kokotten – an ihnen genommen haben, mehr durch Erpressung oder sonstige Kleinverbrechen gezwungen als freiwillig einander in die Arme schmeißen, spielen sich vor einem sehr dünnen Vorhang ab, durch den, schaltet man das Licht ein, die guten alten Verbrechen an der Frau im Dienste der gesellschaftlichen Reproduktion, sichtbar werden, das Blut von Wochenbetten, der Schweiß unbezahlter Hausarbeit, die einsamen Stunden des Wartens und miefige Stundenhotels schließlich als Belohnung für den Herrn von Welt.

Elfriede Jelinek: Elfriede Jelinek schrieb uns zu ihrer Übersetzung . In: Verlagsnachrichten von Nyssen & J. Bansemer Theaterverlag Köln, November 1986.

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