Über die Wörter hinaus sagt die Musik vielleicht das Unsagbare, die fließende
Verzauberung, die Klischee und Ironisierung nicht ausspart, sie kehrt zurück wie die
Erinnerung, sie verläßt uns nicht. Sie fügt sich in die Sprache ein und man spürt
ihre ständige Anwesenheit in langsamen oder schnellen Wellenbewegungen. Zu
anfangs sind die Textabschnitte noch zu großen Blöcken zusammengefaßt, doch im
Laufe der Zeit (und der erzählten Geschichte) beginnen die Sätze kürzer zu werden
und sich gegenseitig zu überlagern oder sich selbst zu beantworten. Kleine Sätze,
dahingeworfen wie Flaschen ins (Klang-)Meer. Freischwebende Wörter... Die
Musik dient der Verdeutlichung des Raumes bzw. der Räume. Vom Nicht-Ort (Zeichnung
einer anderen Realität) des Beginns zum „Real-Ort“ des Regens bis wieder
zum Nicht-Ort. Unter der oft scheinbaren Ruhe der Klänge lauert der Schrecken.
Zersplitterung und Zerstreuung. Nimmt uns der Klang mit auf einer ersehnten
Suche nach Versöhnung zwischen Himmel und Erde? Sich überlagernde Klänge: das
Vergängliche und das Bleibende, die Melancholie und die Möglichkeit. Die Musik
befrachtet die Wörter meistens nicht mit Bedeutung, sondern höhlt sie eher aus,
macht sie auch an einigen Stellen unverständlich.
Olga Neuwirth: Schriftliches Interview, 18.05.00. http://on1.zkm.de/zkm/stories/storyReader$1361 (15.7.2014) (= Website des ZKM Karlsruhe).
Jelinek verfasste den Text für das gleichnamige Ballett von
Bernd Roger Bienert
. Das Ballett war ein Auftragswerk des
Saarländischen Staatstheaters Saarbrücken
in Koproduktion mit dem ZKM Karlsruhe und dem Kulturprogramm des Deutschen Pavillons der EXPO 2000, Hannover.
Jelineks Libretto, das aus einer Wechselrede zwischen Prinzessin (Dornröschen) und Prinz besteht, wurde danach auch zweiter Teil des Zyklus Prinzessinnendramen
Der Tod und das Mädchen I-V
und auch als Theatertext aufgeführt.
Olga Neuwirth
verwendete für das Zuspielband Aufnahmen mit den Schauspielerinnen
Anne Bennent
(für Dornröschen) und
Hanna Schygulla
(für den Prinzen), die am ZKM Karlsruhe, unter Einbeziehung von O-Tönen, bearbeitet wurden.
Gottfried Hüngsberg
, Jelineks Mann, generierte und programmierte die künstliche Computerstimme, die für den Prinzen zum Einsatz kam.
Neuwirth
und ihre Schwester
Flora
, von der die Ausstattung für das Ballett stammte, distanzierten sich von
Bienerts
Choreographie.