Auf den Spuren des Bösen

News, 11.9.1997

Nachweis

 

Jelinek spricht mit

Ge­or­ge Ta­bo­ri

aus Anlass seiner

In­sze­nie­rung

von

Ste­cken, Stab und Stangl

am

Wie­ner Burg­thea­ter

(

Ka­si­no am Schwar­zen­berg­platz

) über die Opfer des

Na­tio­nal­so­zia­lis­mus

, Schuld und Verzeihen. Jelinek kritisiert den Umgang mit den Roma-Morden von Oberwart in den österreichischen

Me­di­en

(

Ös­ter­reich

) und berichtet von den NS-Opfern in ihrer eigenen

Fa­mi­lie

. Ihre Position als Schriftstellerin definiert sie als „gewollte und absolute Machtlosigkeit“. Auch über die Wahlplakate der FPÖ (

Frei­heit­li­che Par­tei Ös­ter­reichs

),

Jörg Hai­der

(

Hai­der, Jörg

) und

Ri­chard Lug­ner

.

Ste­cken, Stab und Stangl

wird nur in Zusammenhang mit einem vom Innenministerium verwendeten Zitat aus dem Stück thematisiert.

 

Heinz Sichrovsky: Sie haben beide sehr exponierte Erfahrungen mit der jüngeren Vergangenheit und reagieren doch ganz diametral: George Tabori mit Verzeihen, Elfriede Jelinek mit Haß.

Elfriede Jelinek: Es ist ein Phänomen, daß wirkliche Opfer wie George Tabori die Größe haben, mit Generosität zu reagieren. Ich bin kein Opfer, obwohl damals in meiner Familie 49 Personen ermordet wurden. Aber ich habe diese Großzügigkeit nicht, sondern eine unstillbare Wut, was sicher ein moralischer Fehler ist. Ich sehe es als mein möglicherweise pathologisches Problem, daß ich besessen bin von den Gemeinheiten dieses Landes. Es ist wie eine Krankheit.

George Tabori: Auch meine Familie ist umgebracht worden, mein Vater in Auschwitz. Aber ich habe Glück in den beiden Bedeutungen es Wortes gehabt: als Happiness – also Glück – und als Luck, der Zufall des Überlebthabens. Ich bin entkommen, bis nach Dakar, England, Amerika. Und wenn ich unter etwas gelitten habe, so war es, daß ich dieses Glück hatte und andere nicht.

aus: Heinz Sichrovsky: Auf den Spuren des Bösen . In: News, 11.9.1997.