Annemarie Eder, Ulrich Müller, Margarete Springeth:Macht es einen Unterschied für Sie, ob Sie etwas für Wien, für die Salzburger Festspiele oder für eine andere Stadt schreiben und konzipieren?
Elfriede Jelinek: Nein, es macht für mich überhaupt keinen Unterschied, für welche Stadt oder welches Publikum ich schreibe.
Vielleicht ist es für den Regisseur wichtiger, ob er mit einem informierten Publikum rechnen kann, das sich mit den ästhetischen Entwicklungen des Theaters in den letzten Jahren schon vertraut
gemacht hat oder mit einem, das eher an konventionelle Inszenierungen gewöhnt ist. Ich habe, als ich das Stück geschrieben habe, nicht daran gedacht: das ist jetzt für die Salzburger Festspiele.
Oder indirekt vielleicht doch … vielleicht wollte ich diesen Dichter der äußersten Bescheidenheit, Robert Walser, über den Canetti gesagt hat, angesichts seiner Existenz hätte sich jeder zu schämen
(auch ich muß das natürlich, mich schämen – und das habe ich jeden Augenblick beim Schreiben empfunden!) einem verwöhnten Publikum, das sich jeden Luxus leisten kann und will, nein, nicht vor die Füße werfen,
sondern: als Mahnung zeigen. Vielleiht ist das mein ‚Jedermann‘, mein ‚Niemand‘, der aber Alles ist.
aus: Annemarie Eder, Ulrich Müller, Margarete Springeth: Mein „Jedermann“ mein „Niemand“. „Dichterin zu Gast ’98“: Elfriede Jelinek . In: Spectakel 7-8/1998, S. 105.
Über ihr Konzept für den Salzburg-Schwerpunkt und ihre
Theaterästhetik
, über die AutorInnen, die sie in Salzburg zu Wort kommen lassen möchte, und die Entstehung und Inszenierung ihres Theatertextes
er nicht als er
.