Ich bitte um Gnade. Alice Schwarzer interviewt Elfriede Jelinek
Emma 7/1989
Emma 7/1989
Schwarzer, Alice
:
Ich bitte um Gnade. Alice Schwarzer interviewt Elfriede Jelinek. In: Emma 7/
1989
, S. 50-55
DN
.
Schwarzer, Alice
:
Ich bitte um Gnade. Alice Schwarzer interviewt Elfriede Jelinek. In:
Schwarzer, Alice
:
Warum gerade sie? Weibliche Rebellen. 15 Begegnungen mit berühmten Frauen.
Frankfurt am Main
:
Luchterhand
1989
, S. 97-116
.
Schwarzer, Alice
:
Elfriede Jelinek: „Als ze de moiiste kunnen krijgen, laten ze de slimmstevallen.“Gesprek mit Alice Schwarzer over de rampzalige verwarring tussen „mannelijk“ en „vrouwelik“. In: Vrij Nederland,
5.8.1989
(auf Niederländisch, Titel: Elfriede Jelinek: „Als ze de moiiste kunnen krijgen, laten ze de slimmstevallen.“ Gesprek mit Alice Schwarzer over de rampzalige verwarring tussen „mannelijk“ en „vrouwelik“ )
.
Schwarzer, Alice
:
Elfriede Jelinek, schrijfster. In:
Schwarzer, Alice
:
Tien vrouwen.
Amsterdam
:
Sara/Van Gennep
1990
, S. 71-87
(auf Niederländisch, Titel: Elfriede Jelinek, schrijfster )
.
Schwarzer, Alice
:
Elfriede Jelinek, Schriftstellerin – 1989. In:
Schwarzer, Alice
:
Alice Schwarzer porträtiert Vorbilder und Idole.
Köln
:
Kiepenheuer & Witsch
2003
, S. 149-165
(Titel: Elfriede Jelinek, Schriftstellerin - 1989 )
.
Schwarzer, Alice
:
Elfriede Jelinek. In: Emma 6/
2004
, S. 86-94
(Titel: Elfriede Jelinek )
.
Alice Schwarzer: Du bist bekannt für extravagante Inszenierungen deiner eigenen Person.
Du kleidest und schminkst dich auffällig und hast schon einiges darüber gesagt, was Mode und
Makeup für dich bedeutet. Ich frage mich allerdings, wie weit da auch ein transvestitisches
Moment drin ist: Ob du versuchst, deine Intelligenz und deine kreative Potenz – also das,
was „männlich“ ist an dir, hinter diesem ultraweiblichen Auftritt zu verstecken. Elfriede Jelinek: Es ist wirklich so. Ich bitte um Gnade. Ich habe bei
vielen Dingen das Gefühl, daß ich um Vergebung bitten muß. Ich verstehe das. Offene weibliche Intelligenz hat ja gemeinhin zur Folge,
daß Männer die Frauen nicht mehr begehrenswert finden.
Das weiß jede Heterofrau, daß sie sich klein machen muß. Da müssen die Frauen die Liebesarbeit
machen, während die Männer die Liebesgedichte schreiben. […] Bei meinem Mich-zum-Objekt-machen
Männern gegenüber ist es halt die Schminke, die ich mir ins Gesicht schmiere, und die Kleider,
die ich mir kaufe. Ich bin, glaube ich, sehr narzißtisch. […] Du bist seit zwölf Jahren verheiratet. Dein Mann Gottfried Hüngsberg ist so
alt wie du und Naturwissenschaftler, wie dein Vater. Er lebt in München, 600 km entfernt von
Wien. Du lebst zu zwei Drittel in Wien (im Haus deiner Mutter) und zu einem Drittel hier, in
München. Ihr seht euch also etwa zehn Tage im Monat. Ist das einer der Gründe, warum es klappt?
Ja. Ich muß sagen, daß der Gottfried mich sehr, sehr schätzt und nie versucht hat, meine
Kreativität in Zweifel zu ziehen oder zu unterdrücken. Dann hätte ich ihn auch nie geheiratet.
Und er will mich auch nicht besitzen. Wir lassen uns Freiheiten. Und vor allem: Wir reden nicht
über alles. Ich halte nichts von der Wahrheit. Ehrlichkeit in der Beziehung lehne ich ab. Warum hast du eigentlich geheiratet?
Aus Kuriosität, wirklich. Ich habe gedacht, daß es witzig ist, so eine Beziehung, wie wir
sie leben, mit einem Ehevertrag zu leben. Wenn wir einfach nur ein Paar wären, wären wir nur
gut befreundet. Das wäre banal. Ich wollte halt bewußt ein anderes Modell der Ehe. Alice Schwarzer:Bist du mit „Lust“ zu weit gegangen? Elfriede Jelinek: „Lust“ ist das, was ich ästhetisch immer erreichen
wollte beim Schreiben. Diese Art von Komprimiertheit und Ineinanderfallen von Sprache und Inhalt
habe ich eigentlich immer angestrebt. Ich wüßte nicht, wie ich die „Lust“ jetzt übertreffen oder
weiterführen sollte. Es ist schon ein Endpunkt in meinem Schaffen. Fällt man nicht nach jeder großen Arbeit in ein Loch und denkt, jetzt kommt
nichts mehr?
Stimmt. Ich habe jedesmal geglaubt, jetzt kann ich nichts mehr schreiben. Schon nach der
„Klavierspielerin“ habe ich gedacht, da kommt nichts mehr. Du hast vor zwei Jahren, zu Beginn deiner Arbeit an „Lust“, gesagt, du möchtest
die „Exklusivität des männlichen Blicks auf den weiblichen Körper“ infrage stellen, willst einen
„weiblichen Porno“ schreiben. Dann ist dir „Lust“ aber nicht zu einem Buch über Erotik geraten,
sondern zu einem über Gewalt.
Ja, weil – Sexualität ist Gewalt. Aber das wissen nur die Frauen. Das wissen die Männer nicht.
Ausführliches Interview über Frauenbilder und
Feminismus
, in dem unreflektierte Zuschreibungen von „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ sowie patriarchale Machtverhältnisse (
Patriarchat
,
Mann
) in der
Gesellschaft
kritisch hinterfragt werden. Im Zusammenhang mit ihrem Roman
Lust
über ihren sprachlichen Ansatz sowie über
Sexualität
und
Pornografie
, die als Ausübung von
Gewalt
gegen die
Frau
definiert wird. Die Schwierigkeit der Arbeit an diesem Werk bestand darin, dass es eine weibliche Sprache für Sexualität nicht gibt, da die Frau nicht „das Subjekt der Begierde, sondern immer das Objekt“ ist. Auch über Persönliches und Biographisches: ihren
Masochismus
, Make-up und
Mode
, ihre
Ehe
, ihre
Mutter
und ihren
Vater
.