Anita C. Schaub: Gab oder gibt es Hindernisse in Ihrer schriftstellerischen Laufbahn, die sie [sic]
als schreibende Frau erlebt haben?Elfriede Jelinek: Nein, bei mir ist alles sehr glatt gegangen, weil ich
die „klassische“ Sozialisation zur Frauen- und Mutterrolle nie kennen gelernt habe
(sehr emanzipierte Mutter, heute würde man sagen: Karrierefrau, partnerschaftlicher Vater).
Ich hatte eher mit meiner Frauenrolle im Leben Schwierigkeiten. Im Leben muss die Frau, egal
was sie tut, sich als Körper auf den Markt der Körper begeben, etwas, das ich nicht gut geübt
hatte. Dabei bin ich etliche Male auf die Schnauze gefallen. So habe ich gelernt, mich Männern
gegenüber klein zu machen. Alle Schriftstellerinnen, die ich kenne, außer sie hatten das Glück,
lesbisch zu sein, mussten das lernen.
Welche Unterstützung brauchen schreibende Frauen?
Die Familie sollte nicht wie ein Betondeckel auf ihnen lasten. Im Zweifelsfall besser: keine
Familie! Mit Kindern ist es sehr schwer. Ich kenne Schriftstellerinnen, die nur von fünf bis
sieben Uhr früh schreiben konnten und dann erst wieder, wenn das Kind im Kindergarten oder in
der Schule war. Ich kenne wenige Schriftstellerinnen, die überhaupt Kinder hatten, und wenn
doch, dann hat es ihnen wenig Glück gebracht, wie zum Beispiel Sylvia Plath.
aus: Anita C. Schaub: Das Männliche wird alles, was Frauen hervorbringen, immer verachten. In: Schaub, Anita C.: FrauenSchreiben. Abenteuer, Privileg oder Existenzkampf. Gespräch mit 17 österreichischen Autorinnen. Maria Enzersdorf: Rösner Verlag 2004, S. 92-97, S. 93.
Geführt per E-Mail. Über Persönliches und Biographisches (ihre
Ehe
und ihre familiäre und finanzielle Situation). Sie äußert sich über die Hindernisse, mit denen eine schreibende
Frau
konfrontiert ist, vergleicht die Situation weiblicher und männlicher SchriftstellerInnen (
Mann
) miteinander, bekennt sich zum
Feminismus
, konstatiert, dass es nur sehr schwer möglich ist, Künstlerschaft und Mutterschaft (
Mutter
) miteinander zu verbinden, und betont, dass sie selbst keine Kinder haben möchte. Angesprochen werden auch die Steiermark und Wien als Orte ihrer Kindheit und der Einfluss, den diese auf ihr Schreiben haben.