Wahrscheinlich wäre ich ein Lustmörder. Ein Gespräch mit der Schriftstellerin Elfriede Jelinek

Nachweis

  • Bi­ron, Ge­org

    :

    Wahrscheinlich wäre ich ein Lustmörder. Ein Gespräch mit der Schriftstellerin Elfriede Jelinek. In: Die Zeit,

    28.9.1984

    .

 

Über Biographisches (z.B. wie sie zum Schreiben gekommen ist) und über

Se­xua­li­tät

als zentrales Thema ihrer Arbeiten. Weiters über ihre Kritik an Tendenzen in der gegenwärtigen Frauenbewegung (

Frau

), die weg vom politisch (

Po­li­tik

) engagierten

Fe­mi­nis­mus

und hin zu Formen „neuer Weiblichkeit“ gehen, und über ihre Begeisterung für

Mo­de

. Auch über ihren Roman

Die Lieb­ha­be­rin­nen

, die Pläne für eine Verfilmung von

Die Kla­vier­spie­le­rin

durch

VA­LIE EX­PORT

, die sprachkritischen Schreibtraditionen (

Schreib­tra­di­ti­on

) in

Ös­ter­reich

,

Tho­mas Pyn­chon

und ihre Liebe zu amerikanischen Fernsehserien (

Tri­vi­al­my­thos

) und Kriminalromanen.

 

Georg Biron:Hast Du ein besonderes Verhältnis zur Gewalt?Elfriede Jelinek: Das kann man wohl sagen. Sado-Masochismus ist mein Thema Nummer eins. Das geht durch alle meine Texte. Das ist mein bisher ungelöstes Problem. Wenn ich die Kunst nicht hätte als Ventil, würde ich mich wahrscheinlich in Dinge verstricken, die sehr zerstörerisch wären. Unlängst habe ich eine Kritik meines Theaterstücks „Clara S.“ gelesen: „Sie könnte um so vieles besser sein, wenn sie nicht diese sexuellen Obsessionen hätte.“ Das stimmt nicht. Gerade daß ich diese Obsessionen literarisch aufarbeiten kann, hält mich überhaupt noch halbwegs in einer normalen Existenz. Es gibt ja keine weiblichen Lustmörder, aber wenn ich ein Mann wäre, müßte ich sagen: Es ist hart an der Kippe. Da könnte ich wahrscheinlich wirklich gefährlich werden. So kann ich das literarisch abhandeln. Gott sei Dank. Ich bin eben nicht sprachlos. Die meisten Lustmörder sind nämlich sprachlos. Bist Du deswegen Feministin?Nein. Das ist ein intellektueller Prozeß. Aber die Aggressivität, die ich in meinen Sachen habe, kommt schon von einer sehr lange währenden Frustration. Wie bei vielen Frauen.

aus: Georg Biron: Wahrscheinlich wäre ich ein Lustmörder. Ein Gespräch mit der Schriftstellerin Elfriede Jelinek. In: Die Zeit, 28.9.1984.

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