Achtzig Prozent der Filmarbeit sind Geldbeschaffung. Ein Gespräch mit Elfriede Jelinek

Nachweis

auch in:

 

Über ihr Drehbuch zum Film

Ram­sau am Dach­stein

und die Reaktionen darauf,

Franz No­vot­nys

Verfilmung ihres Romans

Die Aus­ge­sperr­ten

,

VA­LIE EX­PORT

, den österreichischen Film (

Ös­ter­reich

) und das europäische und amerikanische Kino (

USA

). Die heftigen Reaktionen auf

Ram­sau am Dach­stein

begründet sie damit, dass man seitens des

ORF

„etwas unter einen Hut bringen“ wollte, „was sich nicht unter einen Hut bringen lässt: kritische Künstler und Fremdenverkehrsinteressen“ (

Künst­ler

,

Künst­le­rin

,

Tou­ris­mus

). Die Zusammenarbeit mit

No­vot­ny

beschreibt sie als einen „permanenten Kampf“. Die großen Stärken des österreichischen Films sind für sie „das formale Experiment und der Witz“.

 

[…] was ich gezeigt habe, waren die Leute, die von dem Boom, vom Hotel- und Pensionsbau, vom Pisten- und Schleppliftbau oben in der Gegend eben nicht profitiert haben. Das sind genau die Leute, die auch den Bauern – das waren ja alles ehemalige Bauern dort – ihre Höfe aufgebaut haben, wofür sie dann irgendwann im Altersheim gelandet sind, wenn sie nicht mehr arbeiten konnten – das waren also die ehemaligen Mägde und Knechte.

Eine uralte Bauernmagd, die aber mit 86 Jahren immer noch im Hotel Geschirr abwaschen muß, um sich ihre Rente aufzubessern, die war eigentlich die Haupt-Figur.

aus: Heinz Trenczak, Renate Kehldorfer: Achtzig Prozent der Filmarbeit sind Geldbeschaffung. Ein Gespräch mit Elfriede Jelinek . In: Blimp 2/1985, S. 12-17, S. 12-13.

 

Blimp: Vor langer Zeit hast Du einmal selbst einen Film gemacht, für’s Fernsehen. Kannst Du das beschreiben: Konzept und Echo?

Elfriede Jelinek: Es muß jetzt ungefähr 10 Jahre her sein – das war in der Serie „Vielgeliebtes Österreich“, wo man offenbar aus Prestige-Gründen einige österreichische Schriftsteller, Berufsschriftsteller, die eigentlich mit elektronischen Medien nichts zu tun hatten, zusammengefangen hat und sie Drehbücher schreiben ließ. Bezeichnenderweise wurde ja sehr bald nach meinem Film die Reihe eingestellt, es wurden, glaube ich, noch zwei Beiträge, die aber schon fertig waren, gesendet. Sie haben eben etwas unter einen Hut bringen wollen, was sich nicht unter einen Hut bringen läßt: kritische Künstler und Fremdenverkehrs-Interessen...

Also die Reaktionen werde ich nie vergessen, solange ich lebe: In einem Wirtshaus saßen 500 entmenschte Bauern, die mich steinigen wollten.

In dem Fall war’s so, daß der Fremdenverkehr in der Ramsau im Winter angehoben werden sollte, denn im Sommer hatten sie schon ihre Kontingente ausgelastet. Meine Aufgabe wäre es gewesen, dem Winter-Fremdenverkehr in der Ramsau auf die Sprünge zu helfen, was ich als „kommunistischer Idiot“ natürlich nicht begriffen hatte. Ich hab’ wirklich gedacht, ich soll einen kritischen Film über eine Landschaft machen. Dementsprechend ist natürlich auch das Drehbuch ausgefallen. Ich habe also „die glücklichen Schifahrer“, die man schon sieht, wirklich nur als Kontrapunkt verwendet; was ich gezeigt habe, waren die Leute, die vom Hotel- und Pensionsausbau, vom Pisten- und Schleppliftbau oben in der Gegend eben nicht profitiert haben. Das sind genau die Leute, die auch den Bauern – das waren ja alles ehemalige Bauern dort – ihre Höfe aufgebaut haben, wofür sie dann irgendwann im Altersheim gelandet sind, wenn sie nicht mehr arbeiten konnten – das waren also die ehemaligen Mägde und Knechte.

Eine uralte Bauernmagd, die aber mit 86 Jahren immer noch im Hotel Geschirr abwaschen muß, um sich ihre Rente aufzubessern, die war eigentlich die Haupt-Figur. Ich habe also gezeigt, auf wessen Kosten dieser Boom ging. [...]

Ich habe ihnen im Grunde ja was Gutes getan, daß ich nicht den Winter-Fremdenverkehr propagiert hab’. Mir hat das aber natürlich nichts genützt, denn dieses Drehbuch ist auf wütende Proteststürme gestoßen, nicht nur dort in der Gegend, sondern auch hier beim ORF. Ich hab’ gekämpft um jeden Take, aber es wurde eigentlich auf Unkenntlichkeit zusammengestrichen und verändert. Dann hat man mir noch einen ÖVP-Werbefilm-Regisseur gegeben. Ich will nicht sagen, daß das ein schlechter Regisseur ist – ich will niemanden diskriminieren – aber es war halt ein fürchterliches Arbeiten.

aus: Heinz Trenczak / Renate Kehldorfer: Achtzig Prozent der Filmarbeit sind Geldbeschaffung. Ein Gespräch mit Elfriede Jelinek. In: Blimp 2/1985, S. 12-17, S. 12-13.

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