Thomas Honickel:Besteht bei den Figuren in Ihren Büchern ein Bezug zwischen Sexualverhalten und gesellschaftlicher Determination?
Elfriede Jelinek: Bei der „Klavierspielerin“ ist es eben so, daß diese Frigidität, dieses „nicht an der Sexualität teilnehmen können“ auch mit einem
„nicht leben können“ Hand in Hand geht. Die Erika Kohut ist im Grunde in der Sexualität Voyeurin wie sie im Leben Voyeurin ist. Daß Frauen sexuell eher vernichtet werden als
Männer ist eine Tatsache, weibliche Frigidität ist unglaublich häufig anzutreffen, weil bei Frauen die Sexualität sehr viel früher und sehr viel rigider unterdrückt wird –
heute wahrscheinlich nicht mehr so sehr, aber noch zu Zeiten als ich Kind war. Das ist ein viel stärkeres Mittel der Repression und Unterdrückung als bei Männern.
Was Freud sagt, daß also in dieser präödipalen Phase angelegt wird, daß die Frau später hysterisch oder psychotisch wird, wenn sie sich weigert, ihre Identifizierung mit
der Mutter aufzugeben, also sich weigert, den Mann sozusagen als Liebesobjekt anzunehmen und die Mutter aufzugeben, finde ich interessant.
aus: Thomas Honickel: Ich hab mich nie mit Weiblichkeit identifiziert. In: Münchner Buch-Magazin 42 (1985), S. 12-16, S. 12.
In Zusammenhang mit
Die Klavierspielerin
über Wien als dem einzig möglichen Schauplatz des Romans: Wien sei „die einzige westeuropäische Großstadt, die noch nicht amerikanisiert ist“ und in der „die Klassenschranken noch rigider“ (
Gesellschaft
) als in anderen Städten sind. Als größte Schwierigkeit der Arbeit am Roman beschreibt sie die Schilderung der Beziehung zwischen
Mutter
und Tochter, also ihre „Methode des großen Abstands auf etwas anzuwenden“, zu dem sie „eigentlich keinen Abstand habe“. Am Beispiel von Erika Kohut über Voyeurismus und unterdrückte weibliche
Sexualität
.