Rainer Hartmann:Frau Jelinek, Sie verraten in Ihren Büchern ein kritisches, mitunter feindseliges Verhältnis zur Umwelt im allgemeinen und zur Politik im besonderen. Was ist das für ein Gefühl, wenn Sie aus dieser Sphäre einen Preis erhalten?
Elfriede Jelinek: Ich habe, wenn ich mir die bisherigen Preisträger (darunter Peter Weiss und Uwe Johnson. D.Red.) anschaue, das Gefühl, daß dies ein Preis ist, der nich nur für ein literarisches Werk, sondern auch für eine politische, kritische Haltung vergeben wird. Aber ich stehe nicht meiner Umwelt feindselig gegenüber, sondern ich stehe bestimmten Verhältnissen und Entwicklungen feindselig, auch haßerfüllt, also schon leidenschaftlich negativ, gegenüber. Aber durchaus bestimmten Dingen, die ich dann auch benenne.
Welchen zum Beispiel?
In meinem letzten Buch, „Oh Wildnis, oh Schutz vor ihr“, habe ich versucht eine ästhetische Form für politische Inhalte zu finden. Ich habe auf meine Weise das Versagen der österreichischen Sozialdemokratie, die ja vor ein paar Jahren in diese kleine Koalition mit den Deutschnationalen gegangen ist, zu meinem literarischen Thema gemacht. Nicht nur das: auch viele unreflektierte, emotionale, grüne, umweltschützerische Initiativen, soweit sie vom falschen Gefühl zusammengehalten sind und nicht von der politischen Analyse.
aus: Rainer Hartmann: Schreiben in der Männerwelt. Suche nach Formen für politische Inhalte . In: Kölner Stadt-Anzeiger, 2.12.1986. DN
Anlass ist die Verleihung des
Heinrich-Böll-Preises
. Über die Kritik an Österreichs (
Österreich
)
Gesellschaft
und
Politik
in
Oh Wildnis, oh Schutz vor ihr
. Sie habe mit dem Roman versucht, „eine ästhetische Form für politische Inhalte zu finden“ und „das Versagen der österreichischen Sozialdemokratie“ sowie „unreflektierte, emotionale, grüne, umweltschützerische Initiativen“ zum literarischen Thema zu machen. Sie kritisiert den Waldheim-Wahlkampf und die „Biertisch-Mentalität“ im Land. Im Zusammenhang mit
Die Klavierspielerin
äußert sie sich über geschlechtsspezifische gesellschaftliche Machtstrukturen. Die
Mutter
wird als „gesellschaftliches Über-Ich“ beschrieben, das als „Komplizin der männlichen Ordnungsmacht“ fungiert.