gespräch mit elfriede jelinek

Nachweis

 

Über den Beginn ihrer schriftstellerischen Arbeit, ihren Ansatz und ihre

Schreib­ver­fah­ren

, den

Fe­mi­nis­mus

und den Roman

Die Lieb­ha­be­rin­nen

. Als politisches (

Po­li­tik

) Vorbild nennt sie

Brecht

, als stilistisch-literarisches Vorbild

Chot­je­witz

, ihre Arbeit verortet sie in der sprachsatirischen

Schreib­tra­di­ti­on

Österreichs (

Ös­ter­reich

) (z.B.

Karl Kraus

). Kritisch sieht sie die feministischen Ansätze in den Texten von

Ve­re­na Ste­fan

und

Ka­rin Struck

und stellt Überlegungen zum RezipientInnenkreis, den sie mit den

Lieb­ha­be­rin­nen

erreichen kann, an. Die Figuren des Romans beschreibt sie als „Typenträger“, „Vertreter ihrer Klasse“ und „Archetypen“. Die durchgehende Kleinschreibung begründet sie damit, dass „kein Substantiv [...] mehr Wert haben sollte als die kleinen Wörter“ und man damit eine „gute Erschwernis des blinden Konsums“ erreiche.

 

Stefan Kirschner:Ist dein Stil eigentlich formal als Sprachexperiment aufzufassen, oder ist er gezielt darauf ausgerichtet, daß er den Inhalt unterstreicht?

Elfriede Jelinek: Wie, bei den „Liebhaberinnen“? Also, da ist es das erste Mal so, daß eigentlich der Inhalt das Primäre ist und die Sprache wirklich ausschließlich Vehikel, während bei den anderen – also das behandelt Trivialmythologie – ist eigentlich die Sprache noch mehr als solche. Obwohl ich also nie wie Autoren wie Handke z.B. die Sprache zum Gegenstand der Literatur mache, sondern immer den Gegenstand. Aber in dem Fall halt die Realität.

Ist der Stil, der hier angewandt ist, der einzig mögliche Stil, um diese Aussage zu bringen, oder würdest du heute mit einem gewissen Abstand zu dem Werk sagen: ah, eigentlich hätte man es auch anders ausdrücken können? Und vielleicht besser?

Für mich ist es der einzig mögliche. Ich sag nicht, daß es der einzig mögliche ist, aber für mich sicher. Ich arbeite immer mit Satire, also mit einer Beugung der Wirklichkeit. Das habt ihr auch sehr gut rausgekriegt. Nicht die Wirklichkeit, wie es ist, weil man ja auch laut Brecht da immer nur so ein flaches Abziehbild der Wirklichkeit kriegt, sondern eine übertriebene, eine gebeugte Wirklichkeit. Sie also schärfer zu beleuchten und dadurch wirklicher zu machen… der Realismus ist halt auch ein wahnsinniges Problem.

aus: münchner literaturarbeitskreis: gespräch mit elfriede jelinek . In: mamas pfirsiche. frauen und literatur 9-10/1978, S. 171-181, S. 178-179.