Sigrid Löffler: Sie beschreiben lauter Monstrositäten auf exemplarische Weise, und zwar, wie Sie selbst einmal formulierten, „mit der gleichen kalten und unbeteiligten Neugier, wie ein Naturwissenschaftler das Leben der Ameisen beschreibt – völlig ohne Parteinahme“. Trifft denn das auf Ihren neuen Roman „Die Klavierspielerin“ überhaupt zu?
Elfriede Jelinek: Ich meine, dieser Schrei müßte doch durchdringen. Und in den „Liebhaberinnen“ müßte man das Mitleid mit diesen zwei zerstörten Frauen doch in jeder Zeile spüren. Es ist doch kein Zweifel, daß dieses Buch so etwas wie ein feministischer Bestseller geworden ist, mit dem sich Studentinnen in den germanistischen Seminaren mit Vorliebe beschäftigen.
Nun schreiben Sie eine Sprache, die sich liest wie unters Seziermesser gekommen. Ihre Sprache ist eine sarkastische Montage aus Floskeln, Klischees und Phrasen. Ihre Sprache ist mit kalter Wut gepanzert gegen den Schmerz. Wo wäre da die Öffnung ins Mitleid?
Mein Mitleid ist eine aufklärerische, parteiliche Wut.
aus: Sigrid Löffler: Jedes Werk von ihr ist eine Provokation. Interview mit Elfriede Jelinek. In: Brigitte (Sonderheft „Bücher“) 1983, S. 26-29, S. 28.
Sie führt die negativen Reaktionen auf
Die Klavierspielerin
darauf zurück, dass sie im Roman die
Sexualität
„aus der Sicht einer Frau“ (
Frau
) beschreibt und man „einer Frau das Provokantsein“ nicht verzeihe. Als wichtige Aspekte ihrer
Schreibverfahren
nennt sie ihr Interesse am Exemplarischen und die Auflösung von Individualität. Die Arbeit an der
Die Klavierspielerin
beschreibt sie als Therapie, spricht über Biographisches (
Person
), ihre früheren Romane
bukolit
,
wir sind lockvögel baby!
und
Michael
sowie über ihren KPÖ-Beitritt, den sie damit begründet, dass sie „in einem größeren Kontext politisch arbeiten“ (
Politik
) und „diesen entsetzlichen österreichischen Antikommunismus“ (
Kommunismus
) bekämpfen wollte.