Stephan Hilpold:Interessant ist, dass es in der Zeit Marlowes in England so gut wie keine Juden gab.
Elfriede Jelinek: Ich habe da keine Zahlen, aber dass es gar keine Juden gegeben haben soll zu Marlowes Zeiten, das stimmt nicht ganz, in London lebten etwa tausend, allerdings getauft und völlig zwangsassimiliert. Wäre es für Marlowe nicht absurd gewesen, ein Stück über einen Juden zu schreiben, wenn seine Mitbürger nie einen zu sehen gekriegt hätten?
Es muss doch nur das Bild des Juden funktionieren.
Genau. Rassismus braucht die Anwesenheit des anderen nicht um gegen ihn zu sein. Die Konstruktion eines verbrecherischen anderen ist eine Projektion.
aus: Stephan Hilpold: Eine braune Tracht Prügel. Elfriede Jelinek über ihre Fassung von Marlowes „Der Jude von Malta“ an der Wiener Burg. In: Frankfurter Rundschau, 14.12.2001.
Über ihre Übersetzung von
Marlowes
Der Jude von Malta
,
Antisemitismus
, die Figuren im Stück. Über und über
Jörg Haider
(
Haider, Jörg
). Auch ein Vergleich mit
Shakespeares
Der Kaufmann von Venedig wird angestellt.
Marlowes
Text sei für sie „ein Psychogramm, eine Bestandsaufnahme menschlicher Niedrigkeit“, wobei „die Modernität der Hauptfigur darin besteht, dass sie den menschlichen Leidenschaften und Begierden etwas Objektivierendes entgegensetzt: das Geld, das Materielle“.