Sigrid Löffler:In Ihren bisher sieben Theaterstücken hatte das Publikum nichts zu lachen. Mit „Raststätte“, Ihrem achten Stück, versprechen Sie uns plötzlich eine Komödie. Ist da nicht allerhöchster Argwohn angebracht?
Elfriede Jelinek: „Raststätte“ ist meine erste richtige Komödie. Es ist eine Burleske. Ich habe sie als Satyrspiel zu dem Heidegger/Arendt-Stück „Totenauberg“ geschrieben. [...]
Der Machart nach ist „Raststätte“ eine Partnertausch-Komödie.
Ja, sie funktioniert nach dem Modell von „Così fan tutte“.
Der Untertitel des Stücks – „Sie machen’s alle“ [sic] – ist ja nicht nur ein Kratzfuß in Richtung Lorenzo da Ponte, des Librettisten der Mozart-Oper „Così fan tutte“. Sie zeigen, daß der sexuelle Lustbetrieb nicht bloß Männersache ist, sondern auch Frauensache sein kann.
Nach meinem Roman „Lust“ hat man mir vorgeworfen, daß darin das weibliche Begehren nicht dargestellt wird. Im Gegensatz zu „Lust“, wo die Frau nur Opfer war, werden hier Frauen bei der aktiven Lust-Suche gezeigt – und das wird natürlich noch schrecklicher, noch entsetzlicher. [...]
In „Raststätte“ drehen die Frauen den Spieß um – scheinbar.
Erst düpieren die Männer die Frauen, dann düpieren die Frauen die Männer. Die Fäden zieht wie bei Da Ponte, ein Spielmacher, diesfalls ein Kellner.
Obwohl es hier die Frauen sind, die selber sexuelle Abenteuer suchen, zeigen Sie die Sexualität doch wieder als ein Bemächtigungs- und Entmachtungsspiel. Keine Rede von den Freuden befreiter Sexualität. Gibt es denn kein unschuldiges Kopulieren?
Partnertausch ist keine sexuelle Befreiung, sondern nur eine Ritualisierung und Kanalisierung von Sexualität. Die erste Natur ist ja für immer verloren, kaputt. Und die zweite Natur ist monströs. In dem Stück geht es um den ultimativen Schrecken – den Schrecken der Freiheit. Alle nehmen sich, was sie können. Es gibt keine Konflikte. Es gibt nichts mehr, woran man sich halten kann. Ich zeige den Sieg derer, die nur ficken wollen. Ich zeige das schwarze Loch der Freiheit. Ich bin ja eine unheilbare Moralistin.
In Zusammenhang mit der
Raststätte
-Uraufführung am
Wiener Akademietheater
geht es um den Begriff „Komödie“, um
Peymann
und um weibliches Begehren (
Frau
,
Sexualität
). In
Raststätte
wollte sie „den Schrecken der Freiheit“ aufzeigen, in der es nichts mehr gibt, „woran man sich halten kann“; sie beschreibt sich selbst als „unheilbare Moralistin“. Auch kurz über
Die Kinder der Toten
.