„Es gibt keine Möglichkeit, sich einem Krieg zu nähern.“

Nachweis

  • N. N.

    :

    „Es gibt keine Möglichkeit, sich einem Krieg zu nähern.“ In: Bühne 12/

    2003

    , S. 16-17

    .

 

Aus Anlass der Uraufführung am

Wie­ner Burg­thea­ter

, über das Stück und den Regisseur

Chris­toph Schlin­gen­sief

.

Bam­bi­land

sei ein Text darüber, wie die Repräsentation von

Krieg

in den

Me­di­en

„rezipiert, umbrochen, interpretiert werden kann“. Es gehe darum, „durch die verschiedenen Sprachebenen, die man benutzt, eine Art Mosaik her[zu]stellen, eine neue Wirklichkeit, die sich aus vielen Facetten zusammensetzt“ (

Schreib­ver­fah­ren

).

 

N. N.: Warum haben Sie sich entschlossen, einen Theatertext über den Irak-Krieg zu schreiben?

Elfriede Jelinek: Ich würde sagen, „Bambiland“ ist nicht einfach ein Theatertext über den Krieg oder nicht nur, es ist eher ein Text darüber, wie ein Krieg – der in diesem Fall, aufgrund des „embedded journalism“, sozusagen die Kriegsberichterstatter mit der kämpfenden Truppe „mitgenommen“ hat, dabei eine Authentizität vortäuschend, die es nicht geben kann –, wie soll ich sagen: rezipiert, umbrochen, interpretiert werden kann. Sozusagen die Ebene der zweiten Natur, aber Krieg ist ja nicht etwas Naturhaftes, auch wenn das oft behauptet wird.

Sie zitieren „Die Perser“ des Aischylos und westliche Medienberichte und collagieren beide Ebenen mit Ihren eigenen witzigen Kommentaren...

Es wird nicht aus den „Persern“ des Aischylos zitiert, um das Große, Imperialistische von Eroberung zu vergötzen, sondern um ein Beispiel in der Literatur zu finden, in dem der Kriegsgegner nicht verachtet, vernichtet, ausgelöscht wird, sondern in dem seine Taten Wertschätzung erfahren (also der Gegner nicht einfach Dreck, Abschaum ist); und zwar nicht, um die Taten des Siegers noch größer und heldenhafter erscheinen zu lassen, sondern um, nur mit den Mitteln der Sprache, den Gegner im Krieg „leben“ zu lassen, auch wenn man ihn tötet, sozusagen etwas Benennbares aus dem Gegner zu machen, anstatt ihn auszuradieren. Ich fand das gerade in diesem Krieg, der ja kein Krieg im eigentlichen Sinn war (das Ergebnis stand ja von vornherein fest, man könnte sagen: es war eine Strafexpedition), wichtig, wo eine drückend sowohl technologisch als auch logistisch überlegene Heermacht einen in jeder Weise hoffnungslos unterlegenen Gegner quasi überfährt. Über ihn drüberfährt. Die dritte Ebene dazu sind die sarkastischen Kommentare der Autorin, die, völlig machtlos, gleichzeitig spricht und schweigt, weil Ironie ja das einzige Mittel der hilflos Zusehenden ist, um ihre Hilflosigkeit wegzudrücken, zu bannen. Und ein Bannfluch geht nur mit Sprache. Die Sprache ist das einzige, was ihr, dieser Zusehenden, zur Verfügung steht, und selbst mit der Sprache kann man als Autorin nur einen Abklatsch liefern; aber man kann durch die verschiedenen Sprachebenen, die man benutzt, eine Art Mosaik herstellen, eine neue Wirklichkeit, die sich aus vielen Facetten zusammensetzt und aus verschiedenen Diskursen, vom dichterischen des Aischylos bis zum banalsten des Fernsehkommentators.

aus: N. N.: „Es gibt keine Möglichkeit, sich einem Krieg zu nähern.“ In: Bühne 12/2003, S. 16-17.

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