Eva Brenner:Karge verfehlt den Text, indem er ihn mit abgebrauchten Theatermitteln, mit
unnötigen Bühneneinfällen und Aktionen zudeckt. Er vertraut der Sprache nicht. Andere
Inszenierungen Ihrer Stücke reduzieren die Stücke total auf Boulevard, wie am Volkstheater
zu sehen ist. Es fehlen die Wut, der Schmerz, der Schrecken, die in den Stücken stecken…
Auch die Gefährlichkeit.
Elfriede Jelinek: Ja, leider… Das wird oft mit meinen Stücken gemacht. Ich habe
mich dazu genügend geäußert, zum Beispiel daß es völlig unnötig ist, Stücken die
eigentlich „undramatisch“ sind, soviel Theaterplunder aufzudrücken.
„Totenauberg“ hab‘ ich extra so geschrieben, daß Dialoge unmöglich gemacht werden. Das
ist in dieser Hinsicht sicher mein radikalstes Stück. Man kann es nicht in Boulevard
verwandeln. Deshalb hab ich es nicht dialogisch geschrieben. Es handelt sich um
„Textflächen“, wie ich es nenne, die gegeneinander gesetzt sind. Das Stück ist so
geschrieben, daß man sich mit der Sprache beschäftigen muss, ob man will oder nicht!
Oder man interessiert sich halt überhaupt nicht dafür. Es ist ja so, daß Leute, die mit
neuen Theaterformen nichts zu tun haben, kaum das Stück aufgreifen werden.
Insofern hab ich einer Konsumierbarkeit entgegengearbeitet bis zum Gehtnichtmehr.
Das ist mir offensichtlich gelungen. Mehr als in anderen Stücken.
aus: Eva Brenner: Frauen am Theater – Keine grossen Stoffe, keine grosse Form. In: Salto, 12.2.1993.
Neben
Totenauberg
auch über Theater und
Politik
und die Uraufführung von
Totenauberg
am
Wiener Akademietheater
; in Zusammenhang mit dem Stück über ihre Sprache und
Schreibverfahren
, die medialen Möglichkeiten und
Martin Heidegger
.
Heideggers
Philosophie
beschreibt sie als ein „Denken, das das Undenken schlechthin führen wollte“. An der Konzeption von
Totenauberg
ist ihr die „dialektische Durchdringung von Sprache und Film“ wichtig, um „das Pathos der Texte“ gegen „die Flächigkeit der Leinwand“ zu stellen. Das Interview ist der 1. Teil eines längeren Gesprächs, der 2. Teil
Die Toten kommen zurück
wurde im darauffolgenden Salto publiziert.