N. N.:Warum haben Sie Prinzessinnen gewählt? Die Frau als (ironisch verfremdetes) Märchenwesen?
Elfriede Jelinek: Eben nicht als Märchenwesen (nicht nur), sondern als Zeichensystem
für das Unbeschreibliche, das Mögliche, also: Alles. Die Prinzessin als eine
Herausgehobene, die vielleicht einmal Königin wird (Jackie), aber als solche
scheitern muß, oder als eine, aus der nie eine Königin wird, die eben ewig in diesem
Vorstadium der Prinzessin festgehalten ist wie eine Fliege im Bernstein. Das ewige
Mädchen, das seine phallische, vorsexuelle Macht behalten darf, dem Mann die
Erlösung verweigert, indem es auf seinem Prinzessinnenstatus beharrt, der aber auch
durchaus komisch sein kann, weil er auch eine Art Versteigerung darstellt, das
Verharren eines Steins direkt am Abgrund, der jederzeit runterrollen kann.
Die Frau ist in einer passiven Rolle: Schneewittchen wird vom Jäger getötet, Dornröschen
vom Prinzen genommen, Rosamunde von Fulvio gedemütigt…
Aber sie unterläuft das subversiv, zumindest versucht sie es tapfer. Natürlich
unterliegt sie, weil das Weibliche im Patriarchat, auch wenn es vergötzt und angebetet
wird, solange es jung und schön ist, immer unterliegt. Die Frau hat ja nicht die
Definitionsmacht, sie darf nicht begehren, sie muß sich zu einem Zu-Begehrenden
machen, das ist ja eine Binsenweisheit. Sie muß sich sozusagen aktiv in der Passivität
verhalten. Und sie muß sogar in letzter Konsequenz soweit gehen, ihren Körper
operieren zu lassen, ihn der Nachfrage buchstäblich anpassen zu lassen wie ein
Kleidungsstück, um dieser Nachfrage zu genügen.
aus: N. N.: „Die Frau darf nicht begehren“ . In: Bühne 5/2005, S. 48-49, S. 48.
Aus Anlass der Premiere von
Der Tod und das Mädchen I, II, III, V
am
Wiener Volkstheater
; über die
Prinzessinnendramen
. Die Prinzessinnen-Figuren in den Texten sieht sie „nicht als Märchenwesen“, sondern „als Zeichensystem für das Unbeschreibliche“. Diese Frauen (
Frau
) fungieren als das „ewige Mädchen, das seine phallische, vorsexuelle Macht behalten darf, dem Mann die Erlösung verweigert, indem es auf seinem Prinzessinnenstatus beharrt“ (
Mann
,
Patriarchat
).