Elfriede Jelinek – Über die Anmaßung, das Vaterwort durch das Tochterwort abzulösen

Nachweis

  • Gür­t­ler, Chris­ta

    :

    Elfriede Jelinek – Über die Anmaßung, das Vaterwort durch das Tochterwort abzulösen. In: Elisabethbühne Magazin 102 (

    1996

    ), S. 12-16

    .

 

Kein direktes Interview, sondern eine mit zahlreichen Zitaten versehene Wiedergabe eines Gesprächs; über

Cla­ra S.

und das Kunstschaffen von Frauen (

Frau

) (

Künst­le­rin

), aber auch über

Ste­cken, Stab und Stangl

,

Die Kla­vier­spie­le­rin

,

Die Kin­der der To­ten

,

Rast­stät­te

und

Burg­thea­ter

. Ihre Arbeit beschreibt sie als „weiblichen Schöpfungsakt“: das „Vaterwort, das diese Welt erschafft, wird durch das Tochterwort abgelöst“. Anlass für das Gespräch ist die Aufführung von

Cla­ra S.

an der Salzburger

Eli­sa­beth­büh­ne

.

 

Christa Gürtler:An der Figur Robert Schumanns denunziert Elfriede Jelinek den Geniebegriff des 19. Jahrhunderts, der von Gabriele d’Annunzio vergeblich kopiert wird. Die Frau opfert sich für das Genie, das im Wahnsinn endet. Schließlich steigt sie aber doch nur zur Täterin auf.

Elfriede Jelinek: Clara S. erwürgt Robert in dem Moment, in dem er das System der Genialität, dem sie sich geopfert hat, unterläuft, ein lächerliches Werk eines anderen als sein eigenes ausgibt. Sie bringt ihn nicht um, weil er nicht mehr kann, da könnte sie ihre Rolle spielen als Krankenschwester, Betreuerin, Muse, sondern in dem Moment, wo er das System in Frage stellt – das System in Frage stellen kann nur der Herr, nicht der Knecht. Denn nur der Herr hat die Macht, es auch wieder abzuschaffen. In dem Moment, wo er ihre Aufopferung als Popanz und Farce entlarvt, muß sie ihn töten.

aus: Christa Gürtler: Elfriede Jelinek – Über die Anmaßung, das Vaterwort durch das Tochterwort abzulösen. In: Elisabethbühne Magazin 102 (1996), S. 12-16, S. 14.