Die Komödiantenställe. Ein Gespräch zwischen Elfriede Jelinek, Josef Szeiler und Lutz Holzinger

Nachweis

 

Sie übt Kritik an der Wiener Theaterszene (an der Situation am

Burg­thea­ter

und am

Volks­thea­ter

), an der Berichterstattung über Theater in den

Me­di­en

sowie an der Anbiederung österreichischer SchauspielerInnen an das Publikum und fordert den Rücktritt von Volkstheater-Direktor

Paul Bla­ha

. Positiv äußert sie sich über die Arbeiten von

Claus Pey­mann

. Diskutiert wird weiters über

Thea­ter­äs­the­tik

,

Ber­tolt Brecht

und die Situation zeitgenössischer AutorInnen in

Ös­ter­reich

.

 

Elfriede Jelinek: Aber wenn man vom Wiener Theater redet, kann man das nur in der absoluten finstersten Therminologie [sic] tun. Von idiotisch bis vertrottelt. Jeder negative terminus ist wahrscheinlich total angebracht. Genauso wie man über die bürgerliche österreichische Tagespresse nur in Ausdrücken der Verkommenheit, des Depraviertseins und der totalen Idiotie reden kann. Das eine bedingt irgendwo das andere. Das verkommene Feuilleton, daß es eigentlich keine Theaterkritik gibt bis auf ganz wenige Ausnahmen. Das Theater hat die Theaterkritik, die es verdient, und umgekehrt. Und die haben für das versumpfte Klima gesorgt. Es ist total geist- und menschenfeindlich. […] Das Burgtheater ist seit Jahren total verkommen. […] Aber gut, dort gehen halt die Abendkleidleute hinein. Das war nie ein Theater, das sich den Arbeitenden verbunden gefühlt hätte. Da rege ich mich nicht so auf. Wo ich mich wirklich emotional und wütend aufrege und den Rücktritt des Direktors fordere, ist das Volkstheater. […] Geboten wird der mieseste billigste Klassikerverschnitt; dabei sollte gerade für die Arbeiterklasse das Teuerste gerade gut genug sein.

aus: Lutz Holzinger, Josef Szeiler: Die Komödiantenställe. Ein Gespräch zwischen Elfriede Jelinek, Josef Szeiler und Lutz Holzinger. In: M. Das Magazin 9/1984, S. 74-77, S. 74.

Mehr unter Über die politische und/oder kulturelle Situation