Elfriede Jelinek: Aber wenn man vom Wiener Theater redet, kann man das nur in der absoluten finstersten Therminologie [sic] tun. Von idiotisch bis vertrottelt. Jeder negative terminus ist wahrscheinlich total angebracht. Genauso wie man über die bürgerliche österreichische Tagespresse nur in Ausdrücken der Verkommenheit, des Depraviertseins und der totalen Idiotie reden kann. Das eine bedingt irgendwo das andere. Das verkommene Feuilleton, daß es eigentlich keine Theaterkritik gibt bis auf ganz wenige Ausnahmen. Das Theater hat die Theaterkritik, die es verdient, und umgekehrt. Und die haben für das versumpfte Klima gesorgt. Es ist total geist- und menschenfeindlich. […] Das Burgtheater ist seit Jahren total verkommen. […] Aber gut, dort gehen halt die Abendkleidleute hinein. Das war nie ein Theater, das sich den Arbeitenden verbunden gefühlt hätte. Da rege ich mich nicht so auf. Wo ich mich wirklich emotional und wütend aufrege und den Rücktritt des Direktors fordere, ist das Volkstheater. […] Geboten wird der mieseste billigste Klassikerverschnitt; dabei sollte gerade für die Arbeiterklasse das Teuerste gerade gut genug sein.
aus: Lutz Holzinger, Josef Szeiler: Die Komödiantenställe. Ein Gespräch zwischen Elfriede Jelinek, Josef Szeiler und Lutz Holzinger. In: M. Das Magazin 9/1984, S. 74-77, S. 74.
Sie übt Kritik an der Wiener Theaterszene (an der Situation am
Burgtheater
und am
Volkstheater
), an der Berichterstattung über Theater in den
Medien
sowie an der Anbiederung österreichischer SchauspielerInnen an das Publikum und fordert den Rücktritt von Volkstheater-Direktor
Paul Blaha
. Positiv äußert sie sich über die Arbeiten von
Claus Peymann
. Diskutiert wird weiters über
Theaterästhetik
,
Bertolt Brecht
und die Situation zeitgenössischer AutorInnen in
Österreich
.