Literatur ist weiblich

News, 22.12.2004

Nachweis

 

Don­na Le­on

und Jelinek werden dieselben Fragen gestellt; sie nehmen Stellung zu den negativen Reaktionen auf den

No­bel­preis

von Seiten der

Me­di­en

und zu den Schwierigkeiten schreibender Frauen (

Frau

). Jelinek konstatiert, dass Frauen es zu Beginn ihrer Publikationstätigkeit zwar leichter hätten, die „großen Kulturschöpfungen“ aber nach wie vor „nur dem Mann zugetraut“ (

Mann

) werden, und spricht über die durch den Erfolg bedingten Veränderungen im Leben und den Einfluss der

Mu­sik

auf ihr Werk. Beide Autorinnen äußern sich besorgt über den weltweiten Rechtsruck und die Wiederwahl

Ge­or­ge W. Bushs

.

 

Dagmar Kaindl, S. Schmid:Der Nobelpreis wurde zum Teil auf skandalösem Niveau kommentiert: Jelinek als Quotenfrau und frustrierte Feministin, der Preis als Politikum. Gibt es ein Maß an Erfolg, das für eine Frau unstatthaft ist?

Elfriede Jelinek: Ich lasse diese Aussagen nicht an mich heran, ich versuche es zumindest, denn in Zitaten werden sie mir ja ein paar Tage später doch um die Ohren gehauen. Dann erschrecke ich immer. Es am eigenen Leib zu erfahren ist dann doch etwas anderes, als sich literarisch damit auseinander zu setzen. Ich halte es nicht gut aus. Es war keine Quotenentscheidung, das hat man mir versichert. Aber trotzdem hat man als Frau immer das Gefühl, so einen Preis für alle anderen Frauen mit zu bekommen, also nicht als Subjekt, sondern als Mitglied einer immer noch unterdrückten Kaste. Eine Ablehnung käme für eine Frau also schon aus diesem Grund nicht infrage, aber das wäre für mich ohnedies nicht in Betracht gekommen. Es ist natürlich typisch, dass etliche Leute behaupten (wider die Begründung der Jury), es wären außerkünstlerische Gründe maßgeblich gewesen, und es bestätigt im Grunde nur mein Schreiben. [...]

Kann man mit der Autorität des Nobelpreises oder einer Millionenleserschaft die Welt verändern? [...]

Ich werde immer, wie jeder Bürger es sollte, Missstände, die ich sehe, aufzuzeigen versuchen. Natürlich wird man mir eher zuhören als anderen, das ist mir bewusst. Deshalb muss ich auch besonders vorsichtig sein. Allerdings: Verändern werde ich nichts können, das kann Kunst sowieso nicht.

aus: Dagmar Kaindl, S. Schmid: Literatur ist weiblich. In: News, 22.12.2004.