Die grundsätzliche Spannung, nämlich der Riß zwischen dem Realen und dem Gesagten,
wird bei Brecht unaufhörlich thematisiert. Die Sprache kämpft gegen ihren Gegenstand,
der ihr übergestülpt ist wie Kleidung (nicht umgekehrt!), einen Gegenstand,
der Mode ist, aber wie soll man jetzt Mode beschreiben? Man kann es nicht.
So entziehen sich die Gegensätze Herr/Knecht etc., ähnlich wie Kleidung,
der Beschreibung, spotten ihrer sogar, und wir müssen aus diesen Codes der
Äußerlichkeiten, mit der die Mitglieder der Klassengesellschaft wie Kleidungsstücke
katalogisiert werden, das eigentlich Wahre an solchen Äußerlichkeiten wiedergewinnen,
also: hinter dem Stoff der Gegenstände die Gegensätze immer wieder suchen.
aus: Elfriede Jelinek: Brecht aus der Mode.
In: Bartens, Daniela / Pechmann, Paul (Hg.): Elfriede Jelinek – Die internationale Rezeption. Graz: Droschl 1997 (= Dossier extra), S. 26-27.
Umfrage unter AutorInnen über
Bertolt Brecht
aus Anlass seines 100. Geburtstags; über
Brechts
Schreibverfahren
und die Aktualität seiner Texte. Aus einer heutigen Perspektive solle man die Gegensätze in den Lehrstücken wie Herr/Knecht (
Gesellschaft
) nicht auf deren „Äußerlichkeit“ reduzieren.