Kafka ist für mich ein Autor der äußersten Rührung. Die Sehnsucht nach dem Alleinsein eilt ihm voraus, er eilt ihr hinterher, und so ist er natürlich nicht oft allein. Solange das Alleinsein an dem Platz, den es erreicht hat, auf ihn wartet, ist er schon nicht mehr allein. Weil er irgendwo nicht mehr allein sein wird, ist er es jetzt schon nicht. Danach ist er dann aber wieder allein. Über kaum ein Dichter ist so viel gesagt worden wie über Kafka. Ich kann dem nichts hinzufügen, was einen Wert hätte, das ist mir bewusst. Wenn ich das Erleben Kafkas verfolge, dann verfolgt es sofort mich mit seiner eigenen Reisebeschreibung des Stillstands.
aus: Elfriede Jelinek: Ein Regal für Franz Kafka . In: Literaturen special 1-2/2005, S. 4-11, S. 6.
Dankesrede zur Verleihung des
Franz-Kafka-Literaturpreises 2004
; bei der Preisverleihung in Prag am 1.11.2004, an der Jelinek nicht teilnahm, wurde die Dankesrede von der Schauspielerin
Libgart Schwarz
, die beim Prager Theaterfestival Deutscher Sprache mit der Burgtheater-Inszenierung von Jelineks
Das Werk
(2003) gastierte, vorgelesen. Über
Franz Kafka
, der auf seinen Reisen den Verzicht auf sich selbst gelernt habe, und das, worauf er verzichtet hat, an seine LeserInnen weitergegeben habe. Vergleich von Kafkas Schreiben mit einem Regal, in das „Herr K.“ verzweifelt Bretter schiebe, die aber immer wieder herausfielen. Auf Kafkas Verhältnis zu seinem
Vater
wird anhand von Kafkas Brief an den Vater eingegangen.