Schwarzwasser ist sicher eine Fortschreibung meiner politischen Texte,
die ich mit wolken.heim. begonnen habe. Damals habe ich mich mit dem Deutschen beschäftigt,
mit dem Fremden an sich, dem für mich Fremden. Ich habe mich dem Deutschen, der deutschen Sprache,
dem deutschen Denken mit (auch veränderten, quasi manipulierten) Zitaten genähert,
um dann nach Österreich zu kommen, wo die Deutschnationalen in ihrer Abgrenzung von den Fremden,
den „Ausländern“ die deutsche Sprache selbst nur noch verunstalten, gern auch in Gesängen.
Ich habe das Schreiben über das Politische bezüglich der Roma-Morde von Oberwart versucht,
in Stecken, Stab und Stangl . Eigentlich hat mich dabei — ich sehe, mir fehlen die Worte,
dafür haben andre umso mehr davon, und sie haben leider auch was davon, sie schneiden sozusagen mit —,
eigentlich also hat mich die Spiegelung dieser Verbrechen besonders in einem Boulevardmedium besonders interessiert,
auch wiederum als eine Parodie auf das Schreckliche der Tat. Ich habe die Zeitungsartikel zu Oberwart
(das Ereignis wurde ja teilweise als eine schiefgelaufene Gaunerei rezipiert, die Opfer waren natürlich
selber schuld. So wurde es gesagt und aufgeschrieben. Immerhin gibt es an den Tätern in Schwarzwasser
keinen Zweifel, sie können sich noch so oft als Opfer darstellen, wir haben den filmischen Beweis,
und daran ist nicht zu rütteln) rückwärts ablaufen, also von hinten nach vorne sprechen lassen,
sodaß sie keinen Sinn, oder vielleicht einen ganz neuen, ergeben haben. Ich habe dabei den Eindruck,
daß sich diese politischen Texte, vor allem die der letzten Jahre, zu einem einzigen Text-Teppich vernähen lassen,
verschmelzen (um einmal das Wort Textfläche zu vermeiden), also zu etwas, das man auf alles drüberlegt,
auch um den Schmutz des Bodens zu verdecken. Indem ich das Triviale, auch das Lächerliche der gegenwärtigen
Tagespolitik beobachte, weite ich es gleichzeitig aus, binde es an die großen (politischen!) Texte der antiken
Dramatiker an, die ich wie Wegmarken, Landmarken, Landungsstege benutze, um mich davon abzustoßen und weitertreiben zu lassen,
oder, wie Kinder früher, als sie noch mit sowas gespielt haben, ihre Kreisel; und ich verleihe auch dem
Trivialsten noch eine neue Bedeutung, ja, das versuche ich. Ich möchte mich gern als Warnerin sehen, aber wahrscheinlich bin
ich doch nur eine Nachahmerin, bestenfalls eben eine Parodistin von etwas, das jedoch ohnedies schon seine eigene Parodie ist.
aus: Elfriede Jelinek: Fischzug im Trüben. (Einige Anmerkungen zu Schwarzwasser) . In: Burgtheater Magazin 3 (2019/2020), unpag.
Ausgehend von ihrem Theatertext
Schwarzwasser
(2020), den sie als „Fortschreibung“ ihrer „politischen Texte“ seit
Wolken.Heim.
sieht, über ihre
Theaterästhetik
und ihre
Schreibverfahren
, wie die Verarbeitung tagespolitischer Ereignisse (
Politik
) und deren Verknüpfung mit Stoffen antiker Tragödien (
Antike
). Über die anlassgebende „Ibiza-Affäre“ (
Freiheitliche Partei Österreichs
,
Österreich
) im Zusammenhang mit dem zunehmenden Erstarken des
Rechtspopulismus
. In Bezug auf
Schwarzwasser
über die Deutung aktueller politischer und gesellschaftlicher Tendenzen, anhand derer sich
Gewalt
und das Dionysische abzeichnen würden, in Verbindung mit
René Girards
These von der Krise des Opferkults und
Euripides
Die Bakchen .