Ich: Eine Ebene!

Abdrucke

Je­li­nek, El­frie­de

:

Ich: Eine Ebene! In:

Schmied, Wie­land

:

Xenia Hausner. Kampfzone.

Köln

:

Wienand

2000

, S. 143

.

 

Über das von

Xe­nia Haus­ner

gemalte Jelinek-Porträt (

Per­son

); die Leinwand grenze mehrere Räume gegeneinander ab – was bleibt, ist ein Abbild der (körperlichen) Grenze (

Kör­per

), die jetzt fort, aber auf dem Bild dokumentiert ist.

 

Sitzt man für ein Porträt, ist man lange, sehr lange, länger als ich zuvor gedacht hatte, dem befremdlichen Sachverhalt ausgeliefert, still zu bleiben, einen Körper in einer Umgebung darzustellen, der dann flachgezogen werden soll, wie ein Leintuch. In diesem Raum, in dem man einen plastischen Gegenstand darstellt, weil man ja nicht anders kann, als eine bestimmte Raummasse zu bilden, entfaltet sich eben ein andrer Raum, flach wie eine Steppenlandschaft, aber begrenzt, und auf dieser Bild-Fläche soll man als Gegenstand, auf den wiederum andre Gegenstände einwirken, so etwas wie eine Gegend werden, in der das Auge der Betrachter dann herumreisen kann, lange nachdem man wieder aufgestanden, weggegangen und lange nachdem man schon wieder ganz anders ausschaut als zu dem Zeitpunkt, zu dem man, um Kunst zu werden, in die Gegend des Bildes geworfen wurde. Und jetzt, ich bin schon wieder weg, keine Sorge, durchdringen sich die beiden Gegenden, also die beiden Personen, diejenige, die ich einmal war, und diejenige, die ich auf diesem (auf mich etwa?) gespannten Tuch geworden bin, und es entsteht daraus ein neues Gebilde, das man Bild nennt, und das wieder einen neuen Ort, oder nein, eher eine Grenze erzeugt. Das Bild ist jetzt, was es ist. Ich bin es nicht, was es ist. Was ich damit sagen will? Die Leinwand des Bildes umwindet, bekleidet mich nicht einfach, was auch Aufgabe von Leinwänden sein könnte, sondern sie grenzt mehrere Räume gegeneinander ab, die ganz unterschiedlich sind, lebendig und tot, und den Hintergrund liefert sie noch dazu. Ich bin eingeräumt worden, aber ich habe auf dieser Ebene keinen Platz, man kann mich nicht ordnen, Ordnung ist mir überhaupt wesensfremd. Na, bin ich halt eine Grenze, die fort ist, aber man weiß, wo sie war, weil sie auf diesem Bild aufgemalt worden ist.

Elfriede Jelinek: Ich: Eine Ebene! In: Schmied, Wieland (Hg.): Xenia Hausner. Kampfzone. Köln: Wienand 2000, S. 143.

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