Ich komme aus einem Land, von dem Sie sich sicher ein Bild gemacht haben,
denn es ist bildschön, wie es so daliegt inmitten seiner eigenen Landschaft,
die ihm ganz gehört. Sicher haben Sie schon Bilder davon gesehen. Inzwischen ist
das Land zu seinem eigenen Bild geworden. Man trägt es im Herzen herum, so klein,
daß es gerade hineinpaßt, aber mein, und seine Künstler dürfen in ihm wohnen,
falls man sie läßt. Denn in Österreich wird kritischen Künstlern die Emigration
nicht nur empfohlen, sie werden auch tatsächlich vertrieben, da sind wir gründlich.
Ich erwähne nur Rühm, Wiener, Brus, die in den sechziger Jahren das Land verlassen haben.
Ich erwähne nicht Jura Soyfer, der im KZ ermordet worden ist, denn das ist zu lang vergangen
und daher zu lang schon vergessen und, vor allem, vergeben, denn uns verzeiht man einfach alles. [...]
In den Waldheimen und auf den Haidern dieses schönen Landes brennen die kleinen Lichter und
geben einen schönen Schein ab, und der schönste Schein sind wir. Wir sind nichts, wir sind
nur was wir scheinen: Land der Musik und der weißen Pferde. Tiere sehen dich an, sie sind weiß
wie unsere Westen, und die Kärntneranzüge zahlreicher Bewohner und deren befreundeter Politiker
sind braun und haben große Taschen, in die man einiges hineinstecken kann. So, gut getarnt,
sieht man sie in der dunklen Stammtisch-Nacht nicht allzu deutlich, diese mit dem Geld und allen
übrigen deutschen Werten befreundeten Politiker und deren Bewohner (das Wahlvolk, das Volk ihrer Wahl,
das die Politiker in ihrem Innersten hegen und pflegen und nur zu den Wahlen herauslassen),
wenn sie wieder einmal slowenische Ortstafeln demolieren gehen, über die Dörfer hin.
aus: Elfriede Jelinek: In den Waldheimen und auf den Haidern. In: Die Zeit, 5.12.1986.
Dankesrede zur Verleihung des
Heinrich-Böll-Preises der Stadt Köln 1986
. Diese österreichkritische Rede (
Österreich
,
Politik
,
Vergangenheitsbewältigung
) führte zu heftigen Reaktionen in den österreichischen
Medien
. Mehrere KünstlerInnen verteidigten Jelinek gegen die Diffamierungen.
Zentrale Texte der Debatte sind dokumentiert in:
Janke, Pia
:
Die Nestbeschmutzerin. Jelinek & Österreich.
Salzburg
:
Jung und Jung
2002
.
, S. 54-60.
Gesamtdebatte:
Fink, Humbert
:
Die Beschimpfung. In: Neue Kronen Zeitung,
9.12.1986
.
Leitner, Sebastian
:
Das Gespeibsel der Elfriede Jelinek. In: Kurier,
12.12.1986
.
Moser, Gerhard
:
Herr Leitner, Sie tun mir leid! In: Volksstimme,
14.12.1986
.
Pichler, Eva
:
o. T. In: Kurier,
22.12.1986
(Leserbrief)
.
Scharang, Michael
:
Herzblut contra Pisse. In: profil,
22.12.1986
.
Seidler, Philip
:
o. T. In: Kurier,
22.12.1986
(Leserbrief)
.
:
o. T. In: Kurier,
22.12.1986
(Leserbrief)
.
Leitner, Sebastian
:
Die Kunst der Hinterlist. In: Kurier,
23.12.1986
.
Czurda, Elfriede
:
o. T. In: profil,
5.1.1987
(Leserbrief)
.
Hammer, Marion
:
o. T. In: profil,
5.1.1987
(Leserbrief)
.
Kerschbaumer, Marie-Thérèse
:
o. T. In: profil,
5.1.1987
(Leserbrief)
.
Kurz Goldenstein, Helmut
:
o. T. In: profil,
5.1.1987
(Leserbrief)
.
Weinzierl, Ulrich
:
Miesmacher. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung,
8.1.1987
.
Anthofer, Hans
:
o. T. In: profil,
12.1.1987
(Leserbrief)
.
Borneman, Ernest
:
o. T. In: profil,
12.1.1987
(Leserbrief)
.
Handl, Josef
:
o. T. In: profil,
12.1.1987
(Leserbrief)
.
Hupka, Kilian
:
Befinkung. In: Volksstimme,
19.1.1987
.
Gerstl, Elfriede
:
Gelobt sei der Kolumnist. In: Falter 4/
1987
.
Okopenko, Andreas
:
o. T. In: profil,
26.1.1987
(Leserbrief)
.
Stadler, Ernst
:
Künstler gegen die „Demolierung Österreichs“, Wortmeldungen gegen Stickluft. In: Volksstimme,
23.3.1987
.