o. T. (Essay 1997; über Elfi und Andi)

Abdrucke

auch in:

 

Über

El­fi und An­di

(1997).

 

In Elfi und Andi kommen zwei Textflächen überein, sich miteinander in die Aufmerksamkeit des Hörers zu drängen, wobei sie fast die Tür aus den Angeln reißen, weil sie eben beide gleichzeitig hindurch wollen. Einmal die alte Frau: Mörderin, Hoffnung der Männer. Eine alte Frau, die Annoncen aufgibt, in denen sie alleinstehende ältere Männer ohne Anhang sucht. Die bringt sie dann um, um sie zu beerben. Sie betreibt das Töten als Sport, indem sie, anstatt sich selber gefälligst anzustrengen, gefällig aussieht und in anderen, schon verfallenen Körpern wütet. Ihr Sport ist also das Töten. Der junge Mann, Andi, ist einer, der den Schritt in den fremden Körper nicht getan hat. Er tollt dafür umso unbekümmerter im eigenen herum, stopft sich mit bunten Pillen voll, nur um selbst einen Körper wie sein großes Vorbild Arnie zu errichten. Er möchte sich selbst gebären, Fleisch an sich anbauen, doch, indem er seine Muskeln aufbaut, baut er sich innerlich vollkommen ab. Sport, oh, wie trügerisch! Da glaubt man, sich aufbauen zu können, und in Wirklichkeit baut man sich ab. Man darf eben nicht gegen die Natur vorgehen und dabei eine neue Natur schaffen wollen. In der Technik gilt nur als anwesend, was vorauszuberechnen ist. Die beiden Protagonisten haben mit sich der eine, mit anderen die andere, gespielt. Das kann schiefgehen. Nur das zählt, was ist. Die beiden haben weggeräumt, was ist, der eine sich, die andere andere. Was ist nun zu behalten von den beiden? Die Gerichtsmediziner haben das Wort. Sie untersuchen den einen als sein eigenes Opfer, dann untersuchen sie die Opfer der anderen, der Frau.

Elfriede Jelinek: o. T. In: Programmbuch der Wittener Tage für neue Kammermusik 1997, S. 69.

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