Hilfe! Seit Manfred Deix tot ist, wissen wir nicht mehr, wie wir aussehen!
Früher konnten wir seine Zeichnungen anschauen, und das hat uns den Blick in den Spiegel erspart.
Es war praktisch und formschön, das Bild, das wir davor einst im Spiegel ergaben,
so haben wir uns das gedacht und haben uns gefallen. Das lag daran, daß wir geglaubt haben, wir gingen uns was an. Wir gehen niemand was an, nur uns selbst, ja, das haben wir uns so gedacht. Aber dann ist Manfred Deix uns angegangen, zack, bumm, Strich, Worte (mein Gott, war das ein Dichter! Man vergißt zu leicht, daß nicht jedes Bild ohne Worte auskommt, aber kaum einer kann beides), noch ein paar Striche, ein paar Farben, und fertig waren wir! Den Spiegel konnten wir ruhig wegschmeißen. Wir wurden woanders festgehalten.
aus: Elfriede Jelinek: o. T. In: Forever Deix. Der Jubelband. Wien: Ueberreuther 2018, S. 161.
Der Text ist neben
Deix̕
Jelinek-Karikatur abgedruckt, die anlässlich der Nobelpreisverleihung (
Nobelpreis
) an Jelinek am 14.10.2004 in News in der deix wochenschau erstmals veröffentlicht wurde. Die Karikatur entwirft das Szenario einer durch den Nobelpreis ausgelösten „Jelinekmania“, die mit dem Verkauf von Fanartikeln einhergeht. In der Bildunterschrift ist zu lesen: „Gut möglich, dass es schon bald zu genau jener JELINEKMANIA kommt, die die scheue Literaturnobelpreisträgerin so sehr fürchtet und verabscheut.“