o. T. (Essay 2020; für das Buch Säulenwanderung)

Abdrucke

Je­li­nek, El­frie­de

:

o. T. In: Säulenwanderung.

Am­berg

:

Bü­ro Wil­helm

2020

, S. 12-13

DN

.

 

Für den Fotoband von

Wolf­ram Kast­ner

und

Chris­ti­an Lehs­ten

. Anlässlich der im Band präsentierten Fotoserie, bei der eine Säule als mobiles optisches Objekt verwendet wurde, über die Bedeutung der Säule.

 

Die Säule ist immer sichtbar. Sie enthüllt sich selbst, nein, sie ist ihre eigene Enthüllung, die aber nichts preisgibt von sich. Sie ist einfach: da. Aber sie ist oft nicht einfach. Sie trägt etwas, sie hält etwas. Oder auch nicht. Dann hält sie sich selbst, das ist vielen ja sehr angenehm, wenn es nach oben geht. Unten ist das, worauf sie steht, und dann geht es nur noch nach oben. Kein Mann will nach oben, und auch das täte er ja nicht: hinaufwollen um jeden Preis, nur um von oben in nichts als sich selbst hineinzuschauen. Er schaut aber unwillkürlich auch auf andere, Größere, und dann will er gleich auch so werden. Der Säule ist es nicht gegeben, zu werden, was sie sein will. Sie ist es schon, will aber vielleicht nicht. Sie zu erbauen, zu errichten, sie vielleicht mit Zierat herzurichten, das ist das Sichtbare selbst. Da steht sie.

aus: Elfriede Jelinek: o. T. In: Säulenwanderung. Amberg: Büro Wilhelm 2020, S. 12-13. S. 12.

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Essayistische Texte, Reden und Statements