Diese drei jungen Frauen, die Pussy Riot, haben in einer Kirche gesungen, das gehört sich dort so, und sie haben wild getanzt,
eine Art Veitstanz, eben wie es sich gehört, wenn in einem Staat, der auf dem Weg in die Totalität ist, Menschen sich etwas herausnehmen müssen,
um gehört zu werden, was schwierig ist, denn alle Schubladen sind schon zugesperrt, die Tür ist verrammelt, da muß man fest dagegentreten,
damit man sich seinen Raum, dieses Offene, in dem man sprechen, singen, tanzen darf, nein: muß, freischaufeln kann, damit man vernommen
(und nicht: einvernommen) werden kann; und sie haben sich gegen ihren Präsidenten Putin geäußert, in einer Kirche, man stelle sich vor!,
sie haben die Gottesmutter gegen ihn zu mobilisieren versucht, wen haben sie da gelästert? Gott oder Putin? Oder sind die beiden gleichzusetzen?
Wer Putin beleidigt, beleidigt Gott? Seine Mutter? Die Kirche? Man kann ja noch nicht einmal sagen, daß das ein legitimer Protest war und das Recht
auf Protest ein Menschenrecht, denn der Protest, jeder Protest, der sich gegen die Gefährdung von Grundrechten richtet, ist Pflicht, nicht Recht.
Die jungen Frauen mußten tanzen, singen, schreien, es blieb ihnen gar keine andre Wahl.
aus: Elfriede Jelinek: Singen. Tanzen. Schreien .
In: Amnesty Journal 11/2012, S. 5-6.
Aus Anlass der Verurteilung dreier Mitglieder der Punkrock-Band Pussy Riot durch ein Moskauer Gericht am 17.8.2012 wegen „Rowdytums aus religiösem Hass“. Die Band hatte in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau ein „Punk-Gebet“ gegen
Wladimir Putin
gesungen. Jelinek betont die Wichtigkeit des Protests gegen totalitäre Bewegungen und die Gefährdung von Grundrechten. Sie warnt vor dem Terror (
Terrorismus
) einer totalitären Herrschaft, der durch die Verurteilung der Band sichtbar werde.