Schamgrenzen? Die gewöhnliche Gewalt der weiblichen Hygiene

Abdrucke

auch in:

 

Über weibliche Hygiene und die Scham der Frau; in diesem Kontext auch über die Beweggründe der Protagonistin in ihrem Roman

Die Kla­vier­spie­le­rin

(1983) Erika Kohut, sich selbst mit Haus- und Küchengeräten Schmerz zuzufügen (

Ma­so­chis­mus

).

 

Männer wollen den Dreck nicht sehen, den sie anrichten. Sie wollen die Frauen zu Wesen machen, die nicht und nichts sind, indem sie ihnen den ständigen Umgang mit Haushaltsmitteln, mit Schmutzentfernungsgeräten zumuten. Erika Kohut verwendet diese Mittel aber anders, und zwar, in letzter Konsequenz, direkt gegen ihren Körper, dessen Außenhaut verletzend. Frauen sind, indem sie den Schmutz wegputzen, den die Männer ihnen hinterlassen. Hygiene ist die offizielle Anerkennung des Drecks, auch weil Putzen die dreckigste Arbeit ist, die es gibt, und die niedrigste. Dumme Männer, die für sich intelligente Arbeit beanspruchen, sehen gern weibliche Intelligenz bei dummer Arbeit. Erika Kohut jedoch richtet die Haushaltsgegenstände nicht gegen den Haushalt, sondern gegen sich.

aus: Elfriede Jelinek: Schamgrenzen? Die gewöhnliche Gewalt der weiblichen Hygiene . In: taz, 26.11.1983.

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