Man kann Nestroy, glaube ich, nur erklären, indem man sagt, daß er sagt,
was er sagt. Und diese Sprache denkt ja gleichzeitig ihre Voraussetzungen mit,
sie schreibt sie mit, aber sie problematisiert sie nicht, sie sagt sie.
Sie entwickelt sich aus sich selbst, in einer eigenen Art Logik, die in keiner
Metaphysik, Religion, nicht einmal in einem Materialismus gründet, sondern eben:
ist was sie ist und immer weiter, spielerisch, entwickelt, was die ganze Zeit
schon da ist und gar nicht entwickelt zu werden braucht. Und indem etwas sich,
im Fortschreiten eines Theaterstücks entwickelt, ändern sich seine Voraussetzungen
und Folgen und bleiben gleichzeitig gleich. Man kann nicht sagen, daß Nestroy ein
fortschrittlicher Dichter sei, und man kann nicht das Gegenteil davon sagen. Ich glaube,
das ist es: Fortschritt, indem er sagt was ist, es damit aber auch fest-schreibt. Gemeint
ist was gesagt wird und das Gesagte gleichzeitig.
aus: Elfriede Jelinek: Sich mit der Sprache spielen.
In: Programmheft des Wiener Burgtheaters zu Johann Nestroys Der Zerrissene , 2001.
Johann Nestroy
sei ein Autor, der „sich mit der Sprache“ spiele. Er dringe in seine Worte und Sätze ein, diese würden dann ohne Umschweife sagen, was los ist.