Indem sie ihre Gebete zu Gott spricht, spricht sie zu sich und aus sich heraus, eigentlich eine Blasphemie, den sie ist
die, die sie ist und sein wird, indem sie sich selbst zu einer anderen macht als derjenigen, die sie ist. Eine Art Über-Gottheit, nicht Aus drei mach eins, sondern dieses Machen ist buchstäblich ein Herstellen, ein handfestes Sich selbst Erschaffen, und Selbstgeißelungen und schmerzhaftes Rutschen auf den Knien erinnern an den mühsamen Vorgang dieser Selbsterschaffung. Gotteslästerung, zumindest Anmaßung, kein Zweifel, als ihr Gegenteil getarnt, demütige Unterwerfung. Ein Stimulus ist gleichzeitig ein Zauber und etwas, das sich sehr rational erklären läßt, Pawlow hat ja seine berühmten Hunde zu dieser interessanten Vorführung benutzt und die Auswirkung an ihnen studiert.
aus: Elfriede Jelinek: Stimuliert . In: Die Presse, 8.9.2012.
Über
Ulrich Seidls
Film Paradies: Glaube (2012); über den Gottesglauben (
Katholizismus
) als Stimulus der weiblichen Protagonistinnen (
Frau
), der ihnen ähnlich wie die Pawlow’sche Konditionierung eingepflanzt wurde und ihre Suche antreibt. Seidls Frauenfiguren werden auch mit dem Romanhelden Tyrone Slothrop aus
Thomas Pynchons
Roman Gravity’s Rainbow verglichen, der auf einen Plastikstoff als Stimulus konditioniert ist.