Eva Brenner:Meinen Sie damit auch den Alpentourismus als Dauerzustand einer enormen Geschichtszudeckung?
Elfriede Jelinek: Ja. Alles, was in diesem Land seit 1945 passiert ist, war Resultat einer Technik der Geschichtszudeckung. Das ist uns besser gelungen als anderen Ländern, wo man die Gespenster immer wieder hervor holen muß, wo Bußübungen stattfinden. Besonders im Kulturbereich ist das in Österreich hervorragend gelungen.
Was denken Sie über die Rechtsentwicklung in Europa und in Österreich, vor allem bei jungen Leuten?
Es ist bedenklich, doch ich glaube, daß die militante Schicht eine Minderheit darstellt. Das Gefährliche in Österreich, an der FPÖ ist, daß die rechtsgerichteten Jugendlichen hier eine funktionierende Partei vorfinden, geführt von einem Lokalpatrioten, der die Erotik der Jugend repräsentiert. […] In Deutschland läuft das anders. Die Rechte befindet sich großteils außerhalb der Parteilandschaft. Mit der FPÖ ist die rechte Jugend aufgehoben in einer Partei und dadurch sozusagen legalisiert.
aus: Eva Brenner: Die Toten kommen zurück. In: Salto, 19.2.1993.
Über
Politik
und Geschichtsaufarbeitung (
Vergangenheitsbewältigung
) in
Österreich
. Ausgangspunkt des Gesprächs ist ihre Arbeit am Roman
Die Kinder der Toten
. Über die Waldheim-Affäre, den
Tourismus
und die Wintersportindustrie als Mittel der „Geschichtszudeckung“, künstlerische und wissenschaftliche Projekte, die sich mit Emigration und
Judentum
beschäftigen und den steigenden Zuspruch für rechtsradikale Parteien in Europa (
Europäische Union
,
Rechtsradikalismus
), wobei sie die Entwicklung in
Österreich
(FPÖ (
Freiheitliche Partei Österreichs
) und
Jörg Haider
(
Haider, Jörg
)) als wesentlich problematischer einstuft als jene in
Deutschland
. Pessimistisch äußert sie sich zur Situation der Linken in Europa, verteidigt die Ideen des
Kommunismus
, kritisiert jedoch die kommunistischen Parteien. Das Gespräch ist der 2. Teil des Interviews
Frauen am Theater – Keine großen Stoffe, keine große Form
.