Bählamms Fest

Musiktheater in 13 Bildern

Uraufführung in den Sofiensälen, 1999. Foto: Wiener Festwochen / Didi Sattmann

Libretto-Vorlage

Leo­no­ra Car­ri­ng­tons

(6.4.1917-25.5.2011) Theaterstück The Baa-Lambs Holiday (1940) in der Übersetzung von

He­ri­bert Be­cker

Komposition

Personen

Mrs. Margret Carnis (dramatischer Alt); Philip, ihr ältester Sohn / eine ertränkte Katze (Charakterbariton); Theodora, Philips zweite Frau (leichter Sopran); Elisabeth, Philips geschiedene Frau / ein blinder Kanarienvogel (Koloratursopran); Jeremy, Philips Bruder / das kopflose Gespenst von Jeremy (Countertenor); Robert, Kammerdiener / Joe Green / das Skelett einer Ratte / Schafbock (Sprecher / Tenor); Violet, Stubenmädchen / Mary / ein gekochter Goldfisch (Sprecherin / Mezzosopran); Henry, Mrs. Carnis’ Lieblingshund (Sprecher); eine Spinne und eine Fledermaus / das Gespenst von Mrs. Carnis / ein kleines Mädchen (im Film) (zwei Knabenstimmen); weitere Personen: drei Schmeißfliegen ohne Flügel (Schauspieler); eine Schafherde, Hasen und Waldhühner / Hunde der Polizisten (Schauspieler); zwei Polizisten (Schauspieler).

Orchester

1 Flöte (spielt auch Piccolo, Bassflöte, m. Live-Elektronik), 1 Oboe (spielt auch Bassetthorn), Bassklarinette (mit Live-Elektronik, spielt auch Kontrabassklarinette, Kindersaxofon), Sopransaxofon (spielt auch Tenorsaxofon, Basssaxofon), 1 Fagott (spielt auch Kontrafagott, Kinderokarina), 1 Horn (spielt auch Kinderinstrument), 2 Trompeten (spielt auch kleine Trompete, Kindertrompete), 1 Posaune, 1 Tuba (mit Live-Elektronik, spielt auch Kinderinstrument), 2 Schlagzeuger, E-Gitarre (spielt auch 2. E-Gitarre), Akkordeon, Klavier (spielt auch Celesta, Synthesizer), 1 Theremin-Vox, 2 Violinen, 1 Viola (spielt auch Viola d’amore), 2 Violoncelli (spielt auch Kinderinstrument), 1 Kontrabass (spielt auch Kinderratsche), Live-Elektronik, Sampler, Filme, Videogroßprojektionsleinwand.

Abdrucke

ERSTABDRUCK:

WEITERE ABDRUCKE:

TEILABDRUCK:

CD

Bählamms Fest. CD.

Neu­wirth, Ol­ga

Wien

:

Kai­ros

2003

.

Live-Mitschnitt der Uraufführung.

zu hören auf:

Würdigung

2000 erhielt Olga Neuwirth für Bählamms Fest den Ernst Krenek-Preis.

 

Die Oper war ein Auftragswerk der Wiener Festwochen 1999. Die geplanten folgenden Aufführungen an der Straßburger Oper, dem Koproduzenten, wurden im November 1999 mit der Begründung, es würden 200.000 Mark fehlen, abgesagt.

Jelinek arbeitete für die Oper

Leo­no­ra Car­ri­ng­tons

vom Surrealismus und der Schwarzen Romantik geprägtes Theaterstück The Baa-Lamb’s Holiday (1940), das ihr in der Übersetzung von

He­ri­bert Be­cker

zur Verfügung stand, zum Libretto um. Sie verstärkte die Obsessionen und sadomasochistischen Verstrickungen (

Ma­so­chis­mus

) der von

Car­ri­ng­ton

gezeigten spießbürgerlichen

Ge­sell­schaft

, in der sich Menschen mit Untoten (

Un­to­te

), Werwölfen (

Tie­re

) und Vampiren (

Vam­pir

) mischen. Sie radikalisierte die dreiaktige Handlung, die in 13 Bilder gegliedert ist, und betonte durch Verknappung und Fragmentierung des Textes die A-Logik und Offenheit der Handlung, die in einer eisigen wilden Heidelandschaft (

Na­tur

) angesiedelt ist. Elemente aus Slapstick-Komödien, TV-Serien, Grusel- und Stummfilmen (

Tri­vi­al­my­thos

) werden einbezogen, Projektionen, Videos und Filme bilden zusätzliche Ebenen zum Bühnengeschehen.

Thematisiert wird der Ausbruchsversuch von Theodora (

Frau

), die sich aus

Ehe

und

Fa­mi­lie

befreien will und sich dem Werwolf Jeremy hingibt. Auf ihn wird im Verlauf des Stücks Jagd gemacht. Nach seiner Ermordung erscheint er Theodora als Gespenst und fordert von ihr, ewig schön zu bleiben, denn er könne nur Frauen lieben, die „schön sind und bleich“.

Olga Neuwirth verarbeitete Teile von Bählamms Fest zu eigenständigen Werken weiter:

Zwei Duette aus „Bählamms Fest“ für zwei Countertenöre oder Sopran und Ensemble wurde am 22.3.2000 im Rahmen eines Konzerts der WDR-Reihe Forum junger Komponisten unter der Leitung von

Ca­the­ri­ne Rück­wardt

im Funkhaus des WDR in Köln uraufgeführt (Erstsendung des Radiomitschnitts: WDR 3, 22.3.2000).

Die Uraufführung der Instrumental-Inseln aus „Bählamms-Fest“ für zentral im Raum postiertes Ensemble und Live-Elektronik fand am 8.4.2000 am Wiener Konzerthaus im Rahmen der Langen der Nacht der neuen Klänge unter der musikalischen Leitung von

Syl­vain Cam­bre­li­ng

statt. Das Stück wurde auf CD veröffentlicht (Neuwirth, Olga: Vampyrotheneone, Instrumental-Inseln aus „Bählamms Fest“, Hooloomooloo. CD. Wien: KAIROS 2001. (ML:

Syl­vain Cam­bre­li­ng

)), für deren booklet Jelinek den Essay

Mu­sik und Furcht (ei­ni­ge Über­le­gun­gen zu den „In­stru­men­tal-In­seln“ von Ol­ga Neu­wirth) (2001)

verfasste.

Am 19.7.2000 wurde im Lincoln Center in New York die Suite für Theremin und Ensemble aus „Bählamms Fest“ unter der Leitung von

Jef­frey Mi­lars­ky

uraufgeführt.

 

Jeremy: Gute Nacht. Sie taugen auch nicht mehr als die anderen.
Theodora: Bleiben Sie!
Jeremy: Werden Sie immer nach mir verlangen?
Theodora: Immer!
Jeremy: Werden Sie mir folgen, wohin ich gehe?
Theodora: Sie können alles von mir verlangen.
Jeremy: Dasselbe essen wie ich?
Theodora: Warum nicht, warum nicht?
Jeremy: Gut, ich nehm Sie. Aber Vorsicht! Wenn Sie mich betrügen...
Theodora: Nie!
Jeremy: Wie Philips Bett Sie angeekelt haben muß...
Theodora: Er stinkt! Mit ihm ist jetzt Schluß!
Jeremy: Was werden Sie tun, wenn ich tot bin?
Theodora: Mich selber töten.
Jeremy (singt und kickt mit dem Reitstiefel die Spielzeugtrümmer gegen die Wände. Henry, der Hund, streckt seinen Kopf zur Tür herein, versucht, wann immer Jeremy in Geheul und Gekläff ausbricht – zwischen den Sätzen – im Duett mitzuheulen, aber er trifft nie den richtigen Ton und zieht sich nach einer Weile wieder, kopfschüttelnd und sich kratzend, unbeachtet zurück):
So alt wie meine Mutter dürfen Sie nie werden!
Am schönsten wären Sie als Leiche!
Daß Sie im Schnee begraben sind, erregt mich sehr!
Theodora: Ich werde alles tun, was Sie verlangen.
(Jeremy jault und kläfft)
(Ab hier treten die Gespenster auf, bitte entsprechendes Licht! Ich möchte, daß sie ALLE an Gummi-Schnüren von der Decke heruntergelassen werden und dann im Zimmer baumeln und hin und her schwingen, hüpfen und furchterregende Schatten werfen.)
Als erstes:
Die Spinne
(trägt wie ein Kesselflicker an einer Schnur ein Bündel Schafköpfe, strampelt an ihrem Faden hin und her).
Spinne:
Ich bin Jeremys Fallenstellerin.
Ich fange Kinder und Schafe, hab sie im Netz hier drin!
Fliegen und Falter, die mag ich nicht,
was ich sonst fresse, das sag ich nicht!
aus: Elfriede Jelinek: Bählamms Fest. In: booklet zur CD Neuwirth, Olga: Bählamms Fest. Wien: Kairos 2003. (5. Bild)

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