Mir lag in den „Bienenkönigen“ am Herzen, mit Hilfe einer breit angelegten Gesellschaftsvision von Herren und Knechten bzw.
Mägden die Folge unserer patriarchalisch ausgerichteten und auf Ausbeutung von Schwächeren basierenden Kultur in letzter Konsequenz vorzuführen.
Eine kleine Wissenschaftlerkaste und ihre Frauen regieren die Welt und verschulden deren Untergang, eine Vision, die schon nicht mehr futuristisch anmutet,
sondern jeden Tag Wirklichkeit werden kann. Sie sind die Herren nicht nur der Technologie, auf die die Welt zwecks Erhaltung ihres Lebensstandards angewiesen
zu sein glaubt, sondern sie verwalten auch noch das Gute und Schöne in Gestalt von Kunst und Kultur – damit allerdings beschäftigen sich mehr ihre Frauen,
die sprechen wie die Programme der philharmonischen Konzerte, obwohl ihnen der einst revolutionäre Gehalt der Kunst, die sie konsumieren und von der nur mehr
ein paar Fetzen übrig sind, schon längst abhandengekommen ist. Die Frauen dienen auch der Fortpflanzung zur Erhaltung der Art. Durch die letzte entscheidende Umweltkatastrophe
ist diese Kaste von Herren und ihren Geschöpfen, den Frauen, auf sich gestellt, nur sie allein sind noch übrig, denn sie waren tief unter der Erde und daher geschützt.
Fern davon, etwas aus ihrer Schuld am Untergang der Welt gelernt zu haben, gehen sie unverzüglich daran, quasi naturhaft, wie Meerschweinchen, die unermüdlich im Laufrad laufen,
ein neues Schreckensregime zu etablieren, im Kleinen genau dieselbe Ausbeutung zu realisieren, die sie schon zuvor im Großen praktiziert haben.
Sie etablieren ein neues, noch exakter durchdachtes Modell von Herrschaft, in der ihre Frauen und Söhne nichts mehr sind als verlängerte Organe ihrer Herren und Meister.
Wie und ob es nun gelingt, Wesen, die aufgrund ihres Geschlechts, und andere, die aufgrund ihrer ökonomischen Situation verachtet und unterdrückt sind,
miteinander zu solidarisieren und zum Schlag gegen die Herrschaft ihrer gesellschaftlichen Überväter zu treiben, das will dieses Hörspiel exemplarisch durchexerzieren.
Bis sie wieder hinaufsteigen können in die Welt, in deren Leere sie vielleicht wieder eine unzumutbare Belastung sein werden. Oder auch nicht, es liegt ganz in ihren eigenen Händen,
nicht in denen ihrer Väter.
aus: Elfriede Jelinek: Vorspruch zum Hörspiel „Die Bienenkönige“ . Typoskript, SDR 1990.
Nach einem Super-GAU, der alles Leben auf der Erdoberfläche ausgelöscht hat, haben nur eine kleine Elite von Wissenschaftlern und 18 Frauen in einer unterirdischen Forschungsstation überlebt. Die Frauen (
Frau
) werden von den Wissenschaftlern entsprechend ihrer Gebärfähigkeit (
Mutter
) in „Hetis“ und „Mutas“ eingeteilt. Während die „Hetis“ dem sexuellen Vergnügen der Männer (
Mann
,
Sexualität
) dienen müssen, werden die „Mutas“ in Bienenwaben im Dämmerschlaf gehalten und an Ernährungs-, Befruchtungs- und Gebärmaschinen angeschlossen. Es kommen jedoch ausschließlich männliche Nachkommen zur Welt. Die Wissenschaftler finden eine Möglichkeit, die Zellalterung zu stoppen und dadurch sich und ihre Frauen nahezu unsterblich zu machen. Um keine jüngere Konkurrenz zu bekommen, wird für die männlichen Nachkommen ein Ausleseverfahren entwickelt. Die Kinder mit der höchsten und niedrigsten Intelligenz werden getötet und dienen als Organspender, alle anderen werden als Sklaven gehalten. Nach der ersten Geburt eines Mädchens verbünden sich die Hetis mit den Sklaven, töten die Bienenkönige und ihre Mutas und kehren an die Erdoberfläche zurück.
Der Kurzprosatext
Die Bienenkönige
(1978) schließt inhaltlich an die Hörspielhandlung an, behandelt also das, was sich nach Ende des Hörspiels ereignet.