ein schönes erlebnis mit christoph, wenn es auch kurz war, war es doch schön

Abdrucke

auch in:

 

Jelineks einzige Veröffentlichung in der

Kronen Zeitung

(

Me­di­en

) erschien im Sonntags-Feuilleton in der Rubrik Tagebuch . Jeweils eine Seite des Sonntags-Feuilletons war damals einem/einer zeitgenössischen österreichischen AutorIn gewidmet, neben Jelinek schrieben dafür u.a. auch

Frie­de­ri­ke May­rö­cker

,

Hil­de Spiel

und

Pe­ter Tur­ri­ni

. Der Text ist in Kleinschreibung verfasst. Beschrieben wird ein One-Night-Stand (

Se­xua­li­tät

), bei dem die typischen Geschlechterrollen der patriarchalen

Ge­sell­schaft

(

Pa­tri­ar­chat

) jedoch vertauscht sind: die

Frau

verfügt über Geld und Macht und wirft den

Mann

, der lediglich über einen schönen

Kör­per

und Kochkünste verfügt, am Morgen danach hinaus.

 

im stiegenhaus küsse ich ihn kurz & hart. fast brutal. obwohl ich es als weich empfinde, empfindet er – christoph – es doch mehr als hart und brutal. in meinem appartement angekommen, mach ich licht. es wird hell. er will in die küche und uns etwas gutes machen. er ist begeistert von den vielen exotischen düften und gewürzen. er sagt, wie gut er kochen kann. er zeigt mit den händen, wie gut er kochen kann: sooo gut! als er zum kühlschrank eilt, zeichnen sich seine hüften unter dem dünnen stoff ab. es ist wie ein elektr. schlag. die erregung von absatz zwei, die noch immer in mir ist, wird stärker, sie ist fast unerträglich stark. eben jetzt ist sie besonders stark. Christoph fragt die uralte frage: „bist du verheiratet?“ ich antworte nein. etwas freude zeichnet sich auf seinem gesicht ab, das vorhin eher ernst war. kein zweifel, es ist freude. wir gehen nach nebenan. dorthin, wo das erlebnis stattfinden soll, das auch stattfindet.

aus: Elfriede Jelinek: ein schönes erlebnis mit christoph, wenn es auch kurz war, war es doch schön . In: Neue Kronen Zeitung, 29.10.1972.

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