im stiegenhaus küsse ich ihn kurz & hart. fast brutal. obwohl ich es als weich empfinde,
empfindet er – christoph – es doch mehr als hart und brutal. in meinem appartement angekommen,
mach ich licht. es wird hell. er will in die küche und uns etwas gutes machen.
er ist begeistert von den vielen exotischen düften und gewürzen. er sagt, wie gut er kochen kann.
er zeigt mit den händen, wie gut er kochen kann: sooo gut! als er zum kühlschrank eilt,
zeichnen sich seine hüften unter dem dünnen stoff ab. es ist wie ein elektr. schlag. die erregung von absatz zwei,
die noch immer in mir ist, wird stärker, sie ist fast unerträglich stark. eben jetzt ist sie besonders stark.
Christoph fragt die uralte frage: „bist du verheiratet?“ ich antworte nein. etwas freude zeichnet sich auf seinem gesicht ab,
das vorhin eher ernst war. kein zweifel, es ist freude. wir gehen nach nebenan. dorthin, wo das erlebnis stattfinden soll,
das auch stattfindet.
aus: Elfriede Jelinek: ein schönes erlebnis mit christoph, wenn es auch kurz war, war es doch schön .
In: Neue Kronen Zeitung, 29.10.1972.
Jelineks einzige Veröffentlichung in der
(
Medien
) erschien im Sonntags-Feuilleton in der Rubrik Tagebuch . Jeweils eine Seite des Sonntags-Feuilletons war damals einem/einer zeitgenössischen österreichischen AutorIn gewidmet, neben Jelinek schrieben dafür u.a. auch
Friederike Mayröcker
,
Hilde Spiel
und
Peter Turrini
. Der Text ist in Kleinschreibung verfasst. Beschrieben wird ein One-Night-Stand (
Sexualität
), bei dem die typischen Geschlechterrollen der patriarchalen
Gesellschaft
(
Patriarchat
) jedoch vertauscht sind: die
Frau
verfügt über Geld und Macht und wirft den
Mann
, der lediglich über einen schönen
Körper
und Kochkünste verfügt, am Morgen danach hinaus.