Etwas hat nachweislich stattgefunden, ein Massenmord, die Erschießung von 180 Menschen, „ausrangierten“ jüdischen Zwangsarbeitern aus Ungarn,
ich benütze absichtlich dieses Wort aus der Sprache der Bahn, der Verschubbahnhöfe, weil es kein auf Menschen gegründetes Wort dafür gibt
(wie sollte es das auch geben?). Es wurde danach alles vollkommen vertuscht. Die Haupttäter sind geflohen, die Nebentäter verschwunden,
die Opfer sind weg, die Gehörlosen haben gehört (und gesagt, sie hätten etwas gehört, etwas Entsetzliches, aber was genau, das wüßten sie nicht,
sie hätten es sich denken können, danach hätten sie wohl etwas gewußt, weil etwas weg war, verschwunden, das vorher da gewesen war.
Aber das Dagewesene als das gleichzeitig Weggeschaffte wie das nie Dagewesene – wie hätte so etwas denn überhaupt je dagewesen sein können?)
Das gibts ja nicht. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
aus: Elfriede Jelinek: Im Zweifelsfall . In: Manoschek, Walter (Hg.): Der Fall Rechnitz. Das Massaker an Juden im März 1945. Wien: Braumüller 2009, S. 1-4, S. 1.
Vorwort; über ihren Theatertext
Rechnitz (Der Würgeengel)
(2008), das Massaker von Rechnitz (Holocaust (
Judenvernichtung
),
Nationalsozialismus
), die
Vergangenheitsbewältigung
in
Österreich
und die Arbeit der HistorikerInnen.