Mode

Süddeutsche Zeitung, 24.3.2000

Abdrucke

auch in:

 

Über ihr persönliches Verhältnis zu Kleidung und

Mo­de

, zur Beziehung zwischen

Kör­per

, Kleidung und Mode und darüber, dass der Körper in der Kleidung keine Spuren hinterlässt; sie selbst ziehe Kleidung an, damit die Leute auf diese schauen, nicht auf sie.

Eva Mey­er

und

Eran Schaerf

verwendeten für ihren Film Flashforword (Bayerischer Rundfunk, 2004) und für ihr gleichnamiges Hörspiel (Tonspur des Films) Passagen aus dem Essay, kombiniert mit einem Satz aus Jelineks Dankesrede zum Mülheimer Dramatikerpreis 2004 (

Im­mer hin­auf auf den Steg

). Jelinek las die Textpassagen für die Tonspur ein und trat auch im Film auf.

 

 

Ist die Mode für mich ein Halt, mit dem ich mich auf der Erde fixieren kann, weil ich sonst nichts verstehe? Von wenig Dingen verstehe ich so viel wie von Kleidern. Ich weiß wenig von mir, interessiere mich auch nicht sehr für mich, aber mir kommt vor, daß meine Leidenschaft für Mode mir mich selbst ersetzen kann, deshalb bohre ich mich ja förmlich hinein in die Kleider, mit einer seltsamen Gier, die aber viel mehr mit dem Gegenteil von Gier zu tun hat, dem sofortigen Loslassen, Auslassen von etwas. Ich beschäftige mich mit Kleidung, damit ich mich nicht mit mir beschäftigen muß, denn mich würde ich sofort fallen lassen, kaum daß ich mich einmal in der Hand hätte. Roland Barthes nennt es ein Wunder, daß der Körper in die Kleidung hineinschlüpft, ohne daß von dieser Durchquerung auch nur eine Spur zurückbliebe. […] Schiebe ich die Kleidung zwischen mich und das Nichts, damit ich dableiben kann, ohne daß man merkt, daß ich da war? Soll die Spur schon alles gewesen sein, die ja darin besteht, daß sie sofort wieder verschwinden muß?

aus: Elfriede Jelinek: Mode. In: Süddeutsche Zeitung, 24.3.2000.

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