Moment! Aufnahme! 5.10.99

Abdrucke

auch in:

 

Nach dem Wahlerfolg der FPÖ (

Frei­heit­li­che Par­tei Ös­ter­reichs

) bei der Nationalratswahl am 3.10.1999 kritisierte Uwe Mattheiss in der Süddeutschen Zeitung das Schweigen der österreichischen Intellektuellen angesichts dieses Wahlerfolgs. Jelinek reagierte darauf mit diesem Essay. Über die Vergeblichkeit des Anschreibens gegen die extreme Rechte (

Rechts­ra­di­ka­lis­mus

).

 

Es wird mir soeben von einem Journalisten in der Süddeutschen , und dann von einem anderen, wo anders, gesagt, ich und meine Kolleginnen und Kollegen, Künstler und Intellektuelle seien an diesem verheerenden Stimmenzuwachs der extremen Rechten in Österreich mit Schuld, denn man habe von uns seit Jahren bereits nichts mehr gegen Haider gehört. Ich in meiner politischen Anteilslosigkeit oder soll ich sagen: Teilnahmslosigkeit (Robert Walser hätte gesagt: Unanteilnahme) habe geschrieben und geschrieben, andere haben das auch getan, mal besser, mal schlechter, manche haben ihre ganze literarische Produktionspalette umgestellt auf Haider Schwarz Anmalen, wie praktisch, die anderen Farben brauchen wir jetzt eh nicht mehr, die braucht alle das Fernsehn.

Es ist sinnlos geworden, dieses Anrennen, wie soll ich es erklären, ich glaube, es ist deshalb sinnlos, weil wir Sprechenden, und zwar genau deshalb, weil wir sprechen (na, die anderen sprechen ja auch, ununterbrochen, der Kandidat Prinzhorn z.B. über die Härte des Holzes beim Hacken), nichts sind in den Augen der smarten jungen Pistenhelden, im stiebenden Schnee der Nachtbars, im gleißenden Flutlicht der Nachtslaloms; es ist überall so hell, und alle haben Spaß, mit sich und mit anderen, meist mit anderen, denn mit sich möchten sie nicht so gern alleine bleiben.

aus: Elfriede Jelinek: Moment! Aufnahme! 5.10.99. In: Falter 42/1999.

Übersetzungen

Polnisch