o. T. (Essay 2019; über Werner Kofler 2)

Essay anlässlich des Erscheinens der Werkausgabe Werner Koflers; Kofler habe auf einzigartige Weise eine „Literatur des Hohns“ entwickelt. Über sein Anschreiben gegen den österreichischen Opfermythos (

Na­tio­nal­so­zia­lis­mus

,

Ös­ter­reich

,

Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung

) und die Dekonstruktion der vermeintlichen Natürlichkeit gesellschaftlicher Verhältnisse (

Ge­sell­schaft

) in seinen Werken.

Abdrucke

 

Werner Kofler hat also der Natur selbst die Natürlichkeit heruntergerissen und dem Gemüt die Gemütlichkeit, und er hat sie dann gnadenlos bloßgestellt. Er hat jede sich aufplusternde Rechtschaffenheit als Rechthaberei entlarvt, die hat er nicht geduldet. Da ist er mit Klauen und Zähnen drüber hergefallen, wo andre nur darüber gefallen sind und sich nicht wehgetan haben. So wie für ihn jedes Humane in dieser Gemütlichkeit verschwunden ist und sich in Barbarei und Brutalität verwandelt hat (was das Nachkriegsösterreich natürlich gern vergessen hat in seinen Volkstanzfesten und in seiner Harmlosigkeit, da ist doch nichts dabei!, wir waren doch alle dabei, na und?, wer war noch gleich dieser Odilo Globocnik?, keine Ahnung, wer soll das gewesen sein?, nie gehört), genauso musste er das auch aufschreiben. Er hat gnadenlos mitgerechnet und aufgerechnet. Mit ihm musste man rechnen.

aus: Elfriede Jelinek: o. T. In: profil, 12.5.2019.

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Essayistische Texte, Reden und Statements
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