Auf der Leinwand im Hintergrund der Spielfläche wird, Satz für Satz, die Textur von Elfriede Jelinek eingeblendet, in der kaum ein Satz nur ein Satz ist.
Davor die Stumme Rednerin. Gestikulierend liest sie (die Gehörlose Ingeborg Podehl) Wort für Wort nach vorn.
Die dramatische Geste konkurriert mit dem Schrifttext; gerade weil sie ihn wieder gibt, nicht vereinnahmt durch Verdoppelung. Es ist falsch anzunehmen, der Schrifttext geriete zum übergewichtigen
Element dieses Theatertextes. Die Focussierung des Interesses durch Sinn-Isolierung macht sehen auf der Bühne Sinn-voll.
Nach ca. zwei Drittel der Spielzeit: mehrfaches heftiges Auftreten auf den Bühnenboden. Erinnerung daran, daß wir Ohren haben zu hören die Stille.
Natürlich ist diese Inszenierung ein Theaterexperiment, ein ästhetisches Experiment, ein Versuch, sparsam angeordnet, auf das Wesentliche beschränkt, eine Untersuchung des post-dramatischen Theaters auf seine Theatralität, d.h. auf seine sinnliche Wirkung.
Der Versuch, der nichts Manieriertes hat, ist ohne Zweifel gelungen, macht die Sinne und Sinnlichkeit bewußt. Bei aller Euphorie: Die Inszenierung ist zu lang oder zu kurz; zu lang, um nur Idee zu sein, zu kurz, um ihre meditative Wirkung zu entwickeln.
Ulrike Ottinger: o. T. https://www.ulrikeottinger.com/de/buehnenwerkedetails/begierde-und-fahrerlaubnis-von-elfriede-jelinek (15.7.2014) (= Website von Ulrike Ottinger).
Bei der für die Eröffnung des
steirischen herbstes
1986 konzipierten Inszenierung arbeitete die Regisseurin
Ulrike Ottinger
mit der gehörlosen Schauspielerin
Ingeborg Podehl
zusammen. Während die Schauspielerin das Stück in Gebärdensprache vortrug, wurde der Text im Hintergrund auf eine Leinwand projiziert. Auf diese Weise wurde eine Wechselbeziehung zwischen dem
Körper
der Darstellerin und der projizierten Schrift hergestellt. Bei der Premiere kam es aufgrund der Anwesenheit des damals gerade gewählten umstrittenen Bundespräsidenten
Kurt Waldheim
zu Auseinandersetzungen.