Gabriella Lorenz:War der Jelinek-Text Ihre Wahl?
Hanna Schygulla: „Ich möchte seicht sein“ war ein Vorschlag der Dramaturgin Anke Roeder – ebenso die Besetzung mit mir. Auf der ersten Seite bin ich auf Anhieb darauf angesprungen, aber dann war mir dieser reine Behauptungstext allein zu theoretisch.
Also haben wir gesucht, wie man das für den Zuschauer als Wahrnehmungserlebnis versinnlichen könnte, und kamen auf Jelineks „Begierde und Fahrerlaubnis“. Im ersten Text geht es um eine Schauspielerin, die sich dem Theater verweigert. Im zweiten wirbt eine ältere Frau um einen
jüngeren Liebhaber. Beide Vorgänge stehen verschränkt als lebendiger Widerspruch auf der Bühne. Das ist die Komplexität des Spielvorgangs: Man hat ein Unbehagen, daß man nur so tut, als ob, und gleichzeitig Spaß am Spiel. Man will dem Zuschauer gefallen, weiß aber, wenn man zu
sehr gefallen will, wird’s schlecht. Es geht um Verstecken-Wollen und Offenbaren-Wollen – zwischen diesen beiden Antrieben bewegt sich das Leben. [...]
Hier hat mich auch Elisabeth Brockmanns Bühne als Peepshow-Modell von Anfang an überzeugt: Der Schauspieler ist Spiegel seiner selbst, das Publikum Spiegel des Schauspielers und spiegelt sich im Schauspieler – es sieht durch den Einwegspiegel entweder mich oder sich selbst.
aus: Gabriella Lorenz: Das Publikum ist der Spiegel des Schauspielers . In: AZ, 10.7.1996.
Im Rahmen dieser Bearbeitung wurde
Begierde & Fahrerlaubnis
mit Jelineks Essay
Ich möchte seicht sein
(1986) kombiniert. Die Produktion wurde am 4.5.1999 im
Théâtre Nanterre-Amandiers
in französischer Übersetzung wieder aufgenommen.
Auf mediale Resonanz stieß vor allem die Mitwirkung der Schauspielerin
Hanna Schygulla
.