„Wir sind beide Vampire“

Nachweis

 

Jelinek und

Ol­ga Neu­wirth

über zeitgenössische

Mu­sik

und ihre Schwerpunkte bei den

Salz­bur­ger Fest­spie­len

1998. Sie kritisieren die Verdrängung und Diskriminierung von Frauen (

Frau

) im Musikbetrieb und berichten über ihre erste Begegnung bei der Arbeit an

Ro­bert der Teu­fel

in Deutschlandsberg. Als weitere Gemeinsamkeiten werden die Ironie in ihren Arbeiten und das Interesse an Vampiren (

Vam­pir

) genannt.

 

Wolfgang Reiter:Ein Kritiker hat Neuwirths ironische Haltung einmal als „transsylvanisches Lächeln“ beschrieben.

Elfriede Jelinek: Ja, wir sind beide eher Vampire als Vamps. Vielleicht ist das Vampirische, das Aussaugen, die Methode, sich von überall das zu holen, was man brauchen kann, charakteristisch für weibliche Kunst.

Olga Neuwirth: Transsylvanien ist für mich auch Symbol für einen Ort, an dem man nicht so greifbar ist, wo man nicht sofort in eine Schublade gesteckt werden kann.

Elfriede Jelinek: Das ist für die weibliche Künstlerexistenz überhaupt paradigmatisch. Künstlerinnen sind nie ganz da und nie ganz weg, sie tauchen immer wieder auf. Vielleicht ist die Kunst von Frauen deshalb auch subversiver als die Kunst von Männern. Der Bereich der Frauen ist das Unterlaufen von Normen. Das liegt auch am Freiraum, den uns Männer unbewußt einräumen. Wenn einem nichts zugetraut wird, kann man auch alles machen.

aus: Wolfgang Reiter: „Wir sind beide Vampire“. In: profil, 3.8.1998.

Wolfgang Reiter:Daß ausgerechnet Sie ein Libretto für eine lustige Oper geschrieben haben, will so gar nicht ins öffentliche Image der Dichterin Jelinek passen.

Elfriede Jelinek: Das ist etwas, was ich bis zu meinem Lebensende nicht begreifen werde, warum man mich als „verbiestert“ oder als „humorlose Feministin“ bezeichnet – das sind so die Worte, die ich höre. Ich denke, Leute, die so etwas sagen, wissen entweder gar nicht, was Humor und Witz ist, oder sie haben nie etwas von mir gelesen. Natürlich bin ich Feministin, aber ich finde, daß ich sehr witzig bin und sogar noch bei den schrecklichsten Themen eine humoreske Leichtigkeit habe. Das ist Olga jedenfalls noch nicht passiert, daß man sie verbiestert und humorlos genannt hat.

Olga Neuwirth: Im Musikbetrieb ist es ja auch genau umgekehrt. Da werden Humor und Ironie verachtet. Da ist Ironie absolut negativ besetzt. Da heißt es: Wer Ironisches in die Komposition einbringt, der kann nichts.

Elfriede Jelinek: Es ist absurd, denn Ironie bereichert ja die Sache, fügt ihr eine neue ästhetische Facette hinzu. Da sind wir auf einer Wellenlänge. Was ich an sprachlicher Ironie liefere, erzeugt Olga mit musikalischem Material.

aus: Wolfgang Reiter: „Wir sind beide Vampire“. In: profil, 3.8.1998.