Elfriede Gerstl: Ich bin kürzlich draufgekommen, was für Leute alles über Mode
geschrieben haben. Sogar Hegel. Der hat – so in etwa – gemeint, daß es besser wäre
von der Mode abhängig zu sein als von der Natur.
Elfriede Jelinek: Ja, sehr gut, sehr gut. Man könnte ruhig mehr von der Mode
abhängig sein. Das ist etwas sehr Menschliches. Ich bin ja überhaupt nicht für das
Ideal der ungeschminkten, natürlichen, deutschen Frau. Das ist ja auch so schön an
dem Film Stadt ohne Juden: Das müssen dann alle Loden tragen, weil die jüdischen
Seidenhändler weg sind. Das ist dann fast schon Wahrheit aus Kindermund. Das
anti-urbane Ideal der ungeschminkten deutschen Frau ist mir zutiefst suspekt. Ich
habe mich schon mit dreizehn geschminkt.
Elfriede Gerstl: Es gibt ja auch gar keine Möglichkeit, sich der Mode zu entziehen.
So wie der Watzlawick sagt, daß es unmöglich ist, nicht zu kommunizieren, so kann
man sich auch nicht nichmodisch verhalten.
aus: Klaus Nüchtern, Clarissa Stadler: „Nonnen sind die elegantesten Frauen“ . In: Falter 24/1992.
Jelinek und
Elfriede Gerstl
sprechen über
Mode
. Anlass für das Gespräch ist eine Modepräsentation von
Elfriede Gerstl
im „Freihaus“, bei der auch Jelinek mitwirkte. Jelinek äußert sich begeistert über die Hüte in
Gerstls
Sortiment, spricht über das subversive Potenzial von Kleidung (z.B. im Punk), Frauenbilder (
Frau
) und aggressive Reaktionen, die ihre Modebegeisterung ausgelöst habe. Über ihre Vorliebe für die Kleider von japanischen Designern und dass „Klosterschwestern [...] die elegantesten Frauen sind“. Auch über theoretische Ansätze zur Mode von
Benjamin
,
Hegel
und
Watzlawick
.