Gespräch mit Elfriede Jelinek

Nachweis

auch in:

  • Win­ter, Ri­ki

    :

    „W ogóle mnie nie ma...“ Elfriede Jelinek rozmawia Riki Winter. In: Literatura na świecie (Polen) 1-2/

    1997

    , S. 45-53

    (auf Polnisch, Titel: „W ogóle mnie nie ma...“ Elfriede Jelinek rozmawia Riki Winter )

    .

 

Als zentrale Aspekte ihrer

Schreib­ver­fah­ren

bezeichnet sie Ironie, Sarkasmus, sprachliche Stilisierung und Entmythologisierung und verortet ihre Arbeit in der sprachkritischen

Schreib­tra­di­ti­on

Österreichs (

Ös­ter­reich

) (Wiener Gruppe). Es gehe ihr um eine „Umformung des Lebens in sprachliches Material“ und darum, „die Wahrheit hinter einem Schein oder die politische Geschichte (

Po­li­tik

) hinter einem unschuldigen Bild hervorzuholen“. Sie bekennt sich zum

Fe­mi­nis­mus

, kritisiert aber die Frauen (

Frau

), die sich „zu Komplizinnen der Männer machen“, und konzipiert die weiblichen Figuren in ihren Texten als „Zerrbild einer patriarchalischen Gesellschaft, die sich ihre Sklaven letztlich anpasst“ (

Pa­tri­ar­chat

,

Ge­sell­schaft

). Ihr feministischer Ansatz bestehe also in einer sprachlichen Demaskierung von Machtverhältnissen, in denen das „weibliche Subjekt kein sprechendes ist“. Weiters über ihr Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit,

In­ge­borg Bach­mann

, Persönliches und Biographisches (

Per­son

). Kurz auch über

Ma­li­na

,

Lust

und

To­ten­au­berg

.

 

Riki Winter:Du sagst, Du denunzierst die Frau als Komplizin des Mannes, Du denunzierst aber auch das Opfer als Komplize des Täters, den Untertan als Komplizen des Herrn. Diese Machtstrukturen, die Du mit sehr kaltem, analytischem Blick aufzeichnest, enttarnst Du, indem Du sie in Sprachstrukturen übersetzt.

Elfriede Jelinek: Ja, ich schreibe ja nicht über reale Personen, sondern über Personen, wie sie sich als Sprachschablonen oder Sprachmuster materialisieren. Das, was ich kritisiere, ist immer die Sprache, so kritisiere ich in Burgtheater nur sehr am Rande die Personen, die mich im Grunde überhaupt nicht interessieren, ich kritisiere eine Sprache, die in ihrer Pervertierung die faschistische Kulturindustrie und eine nicht erfolgte Entnazifizierung in diesem Unterhaltungsindustriebereich ermöglicht hat.

Mich interessiert nur, wie sich ein Hegelsches Herr/Knecht-Verhältnis jetzt in Sprache manifestiert, wer der Herr des Diskurses ist und wer der Unterlegene. In Lust habe ich das umgedreht und habe die höchste Ausformung der deutschen Sprache, nämlich die Hölderlinsche Sprache und Lyrik, den Ausgebeutetsten – natürlich mit Veränderungen und Bearbeitungen – in den Mund gelegt und die Klischees der Werbung, der Sprichwörter, den real Herrschenden zugeeignet; also jenen, die am liebsten der Illusion des Individualismus huldigen.

aus: Riki Winter: Gespräch mit Elfriede Jelinek . In: Bartsch, Kurt / Höfler, Günther A. (Hg.): Elfriede Jelinek. Graz: Droschl 1991 (= Dossier 2), S. 9-19, S. 13-14.

Für eine Frau ist schon das Schreiben ein gewalttätiger Akt, weil das weibliche Subjekt kein sprechendes ist. Das Drehbuch zu Bachmanns Roman Malina, das ich geschrieben habe, thematisiert genau das, daß eine Frau, um zu sprechen, sich ein männliches Subjekt, das sie aber selbst nie sein kann, borgen muß, aber letztlich keinen Raum hat, in dem sie sprechen kann, solange, bis sie in der Wand verschwindet. Das können sich die Männer gar nicht vorstellen, was es heißt, als Frau zu sprechen. Wenn sie es doch tut, so ist das eine Überschreitung, eine Art aggressiver Akt.

aus: Riki Winter: Gespräch mit Elfriede Jelinek . In: Bartsch, Kurt / Höfler, Günther A. (Hg.): Elfriede Jelinek. Graz: Droschl 1991 (= Dossier 2), S. 9-19, S. 14.

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