Gabriele Presber:Wie bereiten Sie Ihre Themen vor?
Elfriede Jelinek: Grob sind das Recherchen, die ich betreibe, wie bei Burgtheater. In
der Wildnis mußte ich nichts recherchieren, das waren Dinge, die man mit dem
Bewußtsein wahrnimmt. Bei den Liebhaberinnen waren es die Schicksale der zwei
Mädchen, die ich gekannt habe. Das sind Anregungen aus der Wirklichkeit, die ich dann
so verändere, wie ich sie für meine politische und ästhetische Wirksamkeit brauche.
Treffen Sie den Nerv der Zeit? Woraus erklären Sie sich Ihren Erfolg und gleichzeitig die Wut vereinzelter Kritiker?
Ich versuche immer wieder meinen Gegenstand ins Extreme zu steigern. In der
Klavierspielerin eine Masochistin, die eigentlich nicht an ihrem Masochismus scheitert,
sondern daran, daß sie in diesem Masochismus herrschen will. Die dem Mann
vorschreiben möchte, wie er sie zu quälen hat, und das ist ein Sakrileg, welches einer
Frau nicht zusteht. Folglich eine ganz legitime Reaktion. Die Leute sollen nicht auf
mich ihre Wut projizieren, sondern auf die Verhältnisse, die ich beschreibe. […]
Aber es sind eben diese extremen Schilderungen, die man einer Frau nicht gestattet.
Die Literatur einer Frau hat nett, freundlich, emotional und liebenwürdig zu sein,
aber nicht extrem.
aus: Gabriele Presber: „...das Schlimme ist dieses männliche Wert- und Normensystem, dem die Frau unterliegt...“ . In: Presber, Gabriele: Die Kunst ist weiblich. München: Knaur 1988, S. 106-131, S. 116-117.
Über ihre
Schreibverfahren
. Als Schwerpunkt ihrer Arbeit bezeichnet sie den „Sadomasochismus und dieses sogenannte gesellschaftliche Über-Ich, diese vorgefertigte Wirklichkeit“ (
Masochismus
) und verortet ihr Werk in der sprachkritischen
Schreibtradition
Österreichs (
Österreich
) (z.B. Wiener Gruppe). Über ihr politisches Engagement (
Politik
) und ihre Gründe, warum sie nicht aus der KPÖ ausgetreten ist. Engagement in der Literatur sei für sie „nur dann gerechtfertigt, wenn man eine ästhetische Form dafür findet“. Pessimistisch äußert sie sich über die Entwicklung der Frauenpolitik (
Frau
), kritisiert die „neue Sittsamkeit“ und prognostiziert, dass man „die Frauen aus ihrer emanzipierten Position im Berufsleben und überall wieder zurück an den heimischen Herd holen, sie sexuell wieder auf ihren Ehemann fixieren“ werde. Auch über ihre Texte
Lust
,
Oh Wildnis, oh Schutz vor ihr
,
Burgtheater
und
Die Klavierspielerin
. Ab der Mitte beziehen sich die Fragen nur noch auf ihre
Person
und Biographisches.